Kaukasus-Krise zieht Kreise
20. August 2008Russland hat überraschend einen eigenen Entwurf für eine UN-Resolution zum Georgien-Konflikt in den Weltsicherheitsrat eingebracht. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin sagte am Mittwoch (20.08.2008) in New York, das Papier gebe den von allen Seiten unterschriebenen Sechs-Punkte-Friedensplan wörtlich wider. "Das sind Wort für Wort, Komma für Komma die sechs Prinzipien", erklärte er. Er sehe keinen Grund, warum die anderen Mitglieder des Sicherheitsrats den Vorstoß nicht unterstützen sollten. Die westlichen Länder hatten unter Federführung Frankreichs am Dienstag einen Entwurf einbracht, der vor allem den russischen Rückzug aus Georgien forderte. Ob und wann über die Vorschläge abgestimmt werden sollte, blieb zunächst offen.
Russland setzt NATO-Kooperation aus
Moskau setzte am Mittwoch Norwegen zufolge seine militärische Zusammenarbeit mit dem westlichen Bündnis aus, nachdem die NATO am Dienstag alle Gespräche mit der Regierung in Moskau auf Eis gelegt hatte. Das norwegische Verteidigungsministerium teilte in Oslo mit, die Entscheidung Russlands zur Aussetzung der Beziehungen betreffe sowohl die Kooperation mit dem Bündnis insgesamt als auch mit einzelnen NATO-Ländern. Alle für 2008 geplanten Veranstaltungen mit der NATO sollen ausgesetzt werden, darunter auch Manöver. Russlands Botschafter bei der NATO erklärte aber, es gehe dabei nur um eine vorübergehende Maßnahme mit regionalem und nicht globalem Bezug.
Truppenabzug fraglich
Trotz der internationalen Kritik zog Russland auch am Mittwoch keine Truppen im nennenswerten Umfang aus Georgien ab. Frankreich warf dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew deshalb erneut Wortbruch vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Russland auf, Wort zu halten und den bis Freitag angekündigten Truppenabzug aus Georgien fristgerecht zu vollziehen. Das teilte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg mit. Die Bundesregierung habe gegenwärtig keine belastbaren Hinweise, dass der Abzug der russischen Soldaten wirklich begonnen habe.
Die georgische Außenministerin Eka Tkeschelaschwili forderte die EU zur Entsendung von Beobachtern nach Georgien auf. "Wir brauchen eine glaubwürdige Informationsquelle", sagte sie vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Die Außenministerin sprach von einer humanitären Katastrophe. Es gebe keine einzige Hilfsorganisation, die sich frei in Georgien bewegen könne. "Russland testet die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft, auf die Lage zu reagieren", sagte Tkeschelaschwili.
Provinz fordert russische Anerkennung
Nach dem Krieg um die von Georgien abtrünnige Provinz Südossetien forderte das zweite Separatistengebiet, Abchasien, Russland zur Anerkennung seiner Unabhängigkeit auf. Langfristig wünscht das international nicht anerkannte Abchasien eine Aufnahme in die Russische Föderation. Beide Gebiete sehen sich durch die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos durch den Westen in ihren Forderungen bestärkt. (rri)