Elf jecke Karnevalstipps
9. Februar 2015§1 Et es wie et es (Es ist wie es ist)
Sehen Sie den Tatsachen ins Auge! Von "Weiberfastnacht" bis "Veilchendienstag" ist in der Karnevalshochburg Köln alles anders. Die Kölner sind verrückt geworden. Sie zwängen sich in überfüllte Kneipen, trinken viel Bier und singen Lieder in "kölscher" Mundart. Sie laufen nicht nur auf der Straße verkleidet herum, sondern auch an den wenigen Arbeitsplätzen, die in diesen Tagen noch besetzt sind. Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn Sie am Donnerstag am Bankschalter einem Clown mit Pappnase gegenüber stehen. Versuchen Sie nicht, in der Kneipe ihrer Wahl ein Mittagessen zu bekommen. Dort gibt es nur Bier und höchstens eine Frikadelle mit Senf.
§2 Et kütt wie et kütt (Es kommt wie es kommt)
Anpassung ist alles! Sie werden sehen, dass jeder Tag der fünften Jahreszeit seine Eigenheiten hat. Lässt man es am Donnerstag, der "Weiberfastnacht", ab dem frühen Morgen bis spät in die Nacht so richtig krachen, ist der Freitag eher ein ganz normaler Arbeitstag. Aber am frühen Abend stehen die Jecken dann wieder Schlange vor einer der Karnevalskneipen und warten auf Einlass, um die ganze Nacht durch zu feiern. Der Freitag gehört den Kölnern - man ist weitestgehend unter sich. Am Samstag aber kommen die "Touristen", nicht nur aus dem Umland, sondern aus ganz Deutschland. Viele Kneipen öffnen schon am frühen Nachmittag, und nicht selten endet die Party erst am nächsten Morgen.
§3 Et hätt noch immer joot jejange (Es ist noch immer gut gegangen)
Immer schön gelassen bleiben! Wenn Sie es geschafft haben, die ersten drei Tage gesund zu überstehen, wissen Sie schon, wie man den Karneval ohne große Blessuren überleben kann. Falls Sie den Samstag durchgefeiert haben, könnten Sie den Sonntag nutzen, um an die frische Luft zu gehen und einen der vielen Kölner "Schull- und Veedelszöch" besuchen. Das sind die kleineren Karnevalszüge, an denen Schulen und Stadtviertel beteiligt sind; Kölner lieben diese Züge, weil sie viel persönlicher sind als der große Rosenmontagszug. Viele Kneipen machen erst später am Abend auf. Es sind etwas weniger Leute unterwegs. Da am nächsten Morgen um 11:11 Uhr der Rosenmontagszug startet, gehen erprobte Karnevalisten früher ins Bett, um für die große Parade fit zu sein.
Der Einzige, der den Karneval nicht überlebt, ist der Nubbel, eine Stoffpuppe, die ab Donnerstag über dem Eingang der Kneipen hängt. In der Nacht zum Aschermittwoch findet eine Zeremonie statt, in der der Stoffkerl für alles Übel des letzten Jahres verantwortlich gemacht wird. Am Ende muss der Nubbel dafür brennen. Im Kölner Studentenviertel "Kwartier Latäng" findet die größte Nubbelverbrennung statt – dort werden alle Nubbel aus den umliegenden Kneipen auf einem riesigen Scheiterhaufen ins Jenseits befördert. Nach der Zeremonie wird in vielen Kneipen nochmal richtig gefeiert, zum Teil bis in den Morgen hinein.
§4 Wat fott is, is fott (Was weg ist, ist weg)
Nicht jammern, wenn Sie was verloren haben! Nehmen Sie am besten so wenig wie möglich mit und verstauen Sie Wertsachen nur in sicheren Taschen. An Karneval geht unglaublich viel verloren - nicht nur Handys und Portemonnaies, auch Mützen, Brillen, Federboas, Pappnasen und andere Accessoires. In den Garderoben Kölns werden an einem einzigen Karnevalsabend mehrere hundert Jacken hängen gelassen. Tatsache ist: Die meisten werden nicht mehr abgeholt, weil die Besitzer aufgrund von erhöhtem Alkoholpegel schlichtweg vergessen haben, wo sie die Jacke abgegeben haben.
§5 Et bliev nix wie et wor (Es bleibt nichts wie es war)
Seien Sie offen für Neues! Der Kölner Karneval lebt von seinen Liedern. Viele Jahre lang bestimmten vier Bands den Sound des Kölner Karnevals: Bläck Fööss, Höhner, Paveier und die Rockband Brings. Seit zwei, drei Jahren ändert sich das rasant. Eine wilde, bunte, junge und laute Generation von Musikern läuft den "Alten" den Rang ab. Mit frechen Texten, lauter Rockmusik oder kubanischen Klängen. Sie können die neuen Lieder auch schon im Vorfeld des Karnevals lernen: Gehen Sie zu einer der vielen "Loss mer singe"-Veranstaltungen, dort werden die neuesten Lieder vorgestellt. Die neuesten Hits für 2019 liefern die Bands "Kasalla", "Querbeat" und die Newcomer "Stadtrand".
§6 Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet (Kennen wir nicht, brauchen wir nicht, weg damit)
Zuviel Neues ist aber auch mit Vorsicht zu genießen! Vor allem, wenn es sich um neue Bekanntschaften handelt. Weil alle ziemlich aufgedreht sind und extrem viel Alkohol fließt, ist man auch sehr locker im Umgang. Da wird schnell geknutscht, mal hier, mal dort. Seien Sie also nicht allzu enttäuscht, wenn Ihr Teufelchen, das gerade noch seine gesamte Schminke auf Ihrem Gesicht und Kragen hinterlassen hat, eine halbe Stunde später eine neue Prinzessin an der Backe hat.
§7 Wat wellste maache? (Was soll man da machen?)
Fügen Sie sich in ihr Schicksal! Karneval ist es überall voll. Überall stehen Sie in der Schlange: Vor den Kneipen, vor den Toiletten, vor den Garderoben, in den Imbissbuden. Zweitens: Überall wo gefeiert wird ist es laut. Bitte sehen Sie von eventuellen Anzeigen wegen Ruhestörung ab. Die Polizei hat in diesen Tagen schon genug zu tun. Drittens: Parken Sie Ihr Auto am besten irgendwo, wo nicht so viele Jecken um die Häuser ziehen. Oder setzen Sie sich einfach hinein und fahren Sie ein paar Tage weg, wenn Sie sich mit dem wilden Treiben nicht anfreunden können.
§8 Maach et jot ävver net ze off (Mach es gut, aber nicht zu oft)
Achten Sie auf ihre Gesundheit! Vieles spielt sich an Karneval draußen ab. Es sind nicht nur die vielen Umzüge, die die Jecken auf die Straßen treiben. Vor den angesagten Kneipen werden Sie stundenlang in der Kälte stehen, bis auch Sie hinein dürfen. Innen drin herrscht dann Tropenklima. Wenn Sie dann, verschwitzt wie Sie sind, zum Rauchen rausgehen oder einfach nur mal kurz Luft schnappen wollen, laufen Sie Gefahr, sich böse zu erkälten. Halb Köln liegt nach Karneval flach und hat keine Stimme mehr - nicht nur vom lauten Singen.
§9 Wat sull dä Quatsch? (Was soll der Blödsinn?)
Warum das alles? Warum zum Beispiel schmeckt das Bier an Karneval nicht immer so gut wie sonst? Diese Frage zieht hin und wieder den Verdacht mit sich, dass das Bier an Karneval "gepantscht" - verlängert - wird. Das ist nun wirklich Quatsch. Fakt ist eher: In Plastikbechern wird das Bier schneller schal. Bei den Gläsern kommen die Thekenmannschaften manchmal nicht mit dem Spülen nach; es herrscht so viel Andrang, dass das eine oder andere Glas nicht ganz sauber wird. Also: Selber mal nach einem Lippenstiftrand gucken und drüberwischen.
§10 Drinkste eene mit? (Trinkst du was mit?)
Geben Sie ruhig mal eine Runde aus! Die meisten Kneipen nehmen allerdings nur an einer einzigen Stelle Bargeld entgegen - an der "Bonkasse" direkt am Eingang. Getränke gibt es nur gegen die kleinen Marken. Kaufen Sie sich möglichst viele auf einmal. Wenn Sie mit mehreren Leuten unterwegs sind, bestellen Sie direkt einen ganzen Bier-"Kranz" - das sind meistens zwölf Kölsch, die sind schneller weg als Sie gucken können. Und wenn Ihr Nachbar gerade so nett grinst, drücken Sie ihm auch eins in die Hand. In den meisten Fällen bekommen Sie es doppelt und dreifach zurück.
§11 Do laachste dich kapott. (Da lachst du dich kaputt)
Bewahren Sie Ihre gesunde Einstellung zum Humor! Sie wissen vielleicht, dass es einen jahrhundertealten Kleinkrieg zwischen Köln und Düsseldorf gibt. Der manifestiert sich an Karneval in genau zwei Wörtern: Alaaf und Helau. In Köln ruft man "Kölle, Alaaf". In Düsseldorf ruft man "Düsseldorf, Helau". Versuchen Sie jetzt bitte nicht, den Unterschied am lebenden Objekt herauszufinden. Der Kölner versteht bei "Kölle, Helau" einfach keinen Spaß mehr. Sie sind auch nicht lustig, wenn Sie in einer Kölner Kneipe ein Altbier bestellen. In Köln wird nun mal "Kölsch" getrunken, in Düsseldorf "Alt". Ansonsten herrscht an Karneval aber weitestgehend Narrenfreiheit. Und weil die Kölner genau das so schätzen, feiern sie ihren "Fasteleer" so ausgelassen. Schmeißen Sie sich einfach rein und lassen Sie sich treiben. Seien Sie sicher: Nach kurzer Zeit singen auch Sie ihr erstes Lied mit.
Das "kölsche" Grundgesetz ist eine Sammlung von elf mundartlichen Lebensweisheiten, die nicht nur in der Karnevalszeit (mit der 11 als "närrischer Zahl") gerne zitiert werden.