1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Entlassung? Die Causa Maaßen ist komplex

Kay-Alexander Scholz
17. September 2018

Angeblich soll Angela Merkel den Verfassungsschutzpräsidenten für nicht mehr tragbar halten. Doch Hans-Georg Maaßen ist nicht nur eine Personalie. Die gesamte Regierungskoalition steht auf dem Spiel.

https://p.dw.com/p/350Ff
Hans-Georg Maaßen
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Der Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes, Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, hat in Deutschland zu einer Belastungsprobe für die Regierungskoalition geführt. Er hatte sich nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen nach dem mutmaßlichen Mord eines Mannes durch Asylbewerber in der ostdeutschen Stadt Chemnitz ungewöhnlich deutlich in die politische Debatte eingemischt. Maaßen hatte die aus seiner Sicht nicht auf ausreichende Beweise gestützte Verwendung des Wortes "Hetzjagd" gegen Migranten kritisiert, das in den Medien und auch von der Kanzlerin verwendet wurde. Kritiker warfen ihm daraufhin eine Verharmlosung der rechtsextremen Vorfälle vor.

In der vergangenen Woche stieg der Druck auf Maaßen an - obwohl er sich auch den Parlamentariern im Bundestag ausführlich erklärt hatte und seine Aussage zu entschärfen versuchte. Neben den beiden Oppositionsparteien Linke und Grüne waren und sind es vor allem die Sozialdemokraten (SPD), die Druck machten.

Berlin PK Merkel Seeehofer Nahles
Drei Parteivorsitzende ringen um die Causa Maaßen: Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Andrea Nahles (SPD)Bild: picture-alliance/AP/M. Sohn

Am Donnerstag kamen wegen der Causa Maaßen die Chefs der drei regierenden Parteien, neben der SPD sind das die Christdemokraten (CDU) und ihre bayerische Schwesterpartei CSU, im Kanzleramt bei Angela Merkel zusammen - ohne Ergebnis. Die Beratungen wurden auf Dienstag verschoben. Am Wochenende fand dann noch ein Parteitag der Christsozialen (CSU) statt, die kurz vor Landtagswahlen stehen. Dort droht der CSU ein historisch schlechtes Wahlergebnis.

Hat sich Merkel schon entschieden?

Am Montag liefen die Smartphones im Regierungsviertel heiß. Die Zeitung "Welt" meldete exklusiv, Merkel hätte sich entschieden, Maaßen solle abgelöst werden. Sie hätte ihre Entscheidung bereits in Telefonaten mit anderen Kabinettsmitgliedern abgesprochen, wie es hieß.

Stimmt das, fragten Journalisten in der Regierungspressekonferenz? Sie wolle den Bericht nicht kommentieren, heiß es von der stellvertretenden Regierungssprecherin. Auch die Sprecherin des zuständigen Ministeriums lehnte eine Stellungnahme ab - das seien alles "Spekulationen". Im Journalisten-Jargon nennt man solche Aussagen auch "mauern".

Merkel selbst, am Montag auf Auslandsreise in Algerien, hielt sich an das vereinbarte Vorgehen mit den Koalitionspartnern. Sie könne dem, was sie nach dem ersten Treffen gesagt hatte, "nichts hinzufügen". Sie hatte gesagt, dass die Regierungskoalition nicht an einer - sinngemäß - untergeordneten Personalie zerbrechen werden.

Ein Fall für den Bundesinnenminister

Was die Angelegenheit so komplex macht: Maaßen leitet eine Bundesbehörde, die in die Zuständigkeit des Bundesinnenministers fällt. Chef ist dort der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister Horst Seehofer - eigentlich kann nur er Maaßen entlassen. Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin reicht nur bis zum Kopf eines Ministeriums und nicht weiter runter. Eigentlich müsste Seehofer also Maaßen entlassen. Das hatte er bis zuletzt aber immer ausgeschlossen. Muss er deshalb auch selber gehen? Spekulationen gibt es dieser Tage in Berlin viele.

Selbst der Bundespräsident äußerte sich, derzeit auf Staatsbesuch in Finnland, zur Lage in Berlin. "Ich kann nur meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass dort, wo Entscheidungen gefällt werden müssen, sie bald fallen", so Frank-Walter Steinmeier. Der Bundespräsident, obwohl selbst ehemaliger SPD-Politiker, äußerte sich vorsichtig. Laut Amt soll er über den Parteien stehen. Aber eine Entscheidung mahnte auch er an. "Man darf nicht unterschätzen von der deutschen Seite, dass man sich gerade in diesen turbulenten Zeiten ein stabiles Deutschland und eine stabile Regierung als Partner wünscht."

Das Spiel der AfD

Wie in solchen politischen Gefechten üblich, geht es auch darum, einigermaßen unbeschadet sein Gesicht zu wahren. Das trifft vor allem auf Seehofer zu. Der soll aber die Zukunft von Maaßen auch mit seiner Zukunft verbunden haben, heißt es in dem "Welt"-Bericht. "Wenn ich falle, dann fällt er auch", habe Maaßen noch am Donnerstag vor Politikern von CDU/CSU gesagt.

Berlin: Verfassungsschutzpräsident Maaßen und Horst Seehofer
Wie lange hält Horst Seehofer zu Hans-Georg Maaßen?Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Ganz unwahrscheinlich ist das nicht. Denn seit 2015, als die Migrationspolitik zum Top-Thema in Deutschland wurde, haben sich Seehofer und Merkel darüber öffentlich gestritten und auch schon mal zerstritten. Hier lauert eine gefährliche Sollbruch-Stelle der Koalition.

Allein die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) hat vor allem in den Sozialen Medien eine Art Solidaritätskampagne für Maaßen gestartet. Sollte er gestürzt werden, würde die AfD Maaßen wohl zu einer Art Märtyrer machen. Maaßen würde der "etablierten Politik" zum Opfer fallen, postete Alice Weidel, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag.

Was diese Solidaritätsbekundung doppelt heikel macht: Maaßen wird schon länger eine politische Nähe zur AfD unterstellt. Dieser Vorwurf fand in Maaßens Reaktion auf Chemnitz neue Nahrung. Denn auch die AfD hatte eine "Hetzjagd" infrage gestellt. Eine eindeutige Aufklärung, eigentlich Sache des Verfassungsschutzes, gab es dazu noch immer nicht. Derweil heißt es nach einem unbestätigten Medienbericht, der Verfassungsschutz wolle seine Mitarbeiterzahl verdoppeln. Vielleicht ist auch dazu am Dienstag mehr zu erfahren.