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Es wird ernst für Portugal und Spanien

Barbara Wesel 12. Juli 2016

Zum ersten Mal sollen EU-Mitgliedsländer bestraft werden, weil sie gegen den Stabilitätspakt verstoßen. Noch größere Sorgen bereiten den EU-Finanzministern aber der Brexit und seine Folgen.

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Porträt Wolfgang Schäuble (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

"Das sind schon Helden", sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zur Riege der Brexit-Befürworter, die inzwischen in London den Rückzug angetreten hat. "Erst dafür sorgen, dass Großbritannien austreten will und dann davon laufen…" Der Ärger über dieses Vorgehen ist Schäuble deutlich anzusehen. Die Lage nach dem Referendum hält der Minister für "volatil", man wisse noch nicht genau, wie es weitergehen solle. Es gebe eine Menge Unsicherheiten und die Minister wollten rasch Klarheit haben, um die Risiken zu begrenzen. Ein weiterer Appell an London, mit den Austrittsverhandlungen nach Art. 50 so schnell wie möglich zu beginnen.

Kein "Weiter so" in Europa

Über die nächsten Schritte in Europa hat Wolfgang Schäuble klare Vorstellungen: "Wir kriegen jetzt keine Vertragsänderung, darauf sollten wir keine Kraft verschwenden". Eine Absage an alle Grundsatzreformen also. Stattdessen müsse die EU die bestehenden Regeln anwenden und damit ihre Handlungsfähigkeit beweisen. "Wir müssen jetzt alles tun, damit Europa seine schwierigen Aufgaben im 21. Jahrhundert erfüllen kann", beschwört er. Und dazu gehört für den Bundesfinanzminister vor allem, nur das anzukündigen, was man auch liefern könne. Sonst werde Europa weiter an Vertrauen verlieren. Wobei er Trost daraus zieht, dass das Brexit-Votum in Deutschland die Zustimmung zur EU habe ansteigen lassen. Es verstünden wohl manche Bürger inzwischen, wie kostbar die europäische Einigung sei.

Symbolbild zum Brexit (Foto: dpa)
Das Brexit-Votum sorgt für wirtschaftliche Unsicherheit in der EUBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Zum ersten Mal: Strafen gegen Defizitsünder

Spanien und Portugal sind die ersten Länder, die die neue Regeltreue zu spüren bekommen. Gegen beide Staaten wurde jetzt das Defizitverfahren in Gang gesetzt, weil sie ihre Haushaltsziele deutlich verfehlt haben. Noch im Mai hatte die EU-Kommission davor zurückgeschreckt, weil sie weitere anti-europäische Emotionen fürchtete. Aber nach deutlichen Hinweisen aus der Ministerrunde wurde der Sanktionsmechanismus nun in Gang gesetzt.

Innerhalb der nächsten zwanzig Tage wird die Kommission nun Vorschläge machen, wie Lissabon und Madrid bestraft werden sollen: Zu erwarten sind dabei keine Geldstrafen, wohl aber eine Aussetzung der Strukturförderung für 2017. Aus diesem EU-Fonds werden Bauvorhaben und andere Fördermaßnahmen bezahlt. Für Spanien geht es hier um mehr als eine Milliarde Euro, für Portugal immerhin noch um 500 Millionen. Allerdings verlieren die Staaten das Geld nicht ganz, denn es kann später ausgezahlt werden, wenn die bestraften Länder die Haushaltsregeln wieder befolgen. "Das ist ein hinreichender Anreiz", meint Wolfgang Schäuble dazu und nennt das Strafverfahren einen "Quasi-Automatismus". Die Betroffenen reagieren unterschiedlich: Spanien will mit einer Steuererhöhung mehr Geld einnehmen, Portugal wiederum kritisiert die Sanktionen als "kontraproduktiv".

Empfang der portugiesischen Fußball-Nationalmannschaft in Lissabon (Foto: Reuters)
Portugal ist zwar Fußball-Europameister, hinkt aber wirtschaftlich in Europa weit hinterherBild: Reuters/R. Marchante

Auf die Frage aber, warum nicht auch Dauer-Defizitsünder Frankreich mit Sanktionen belegt wird, zeigt der Bundesfinanzminister mit dem Finger auf die EU-Kommission. Sie sei zuständig dafür, den Mechanismus auszulösen. Jean-Claude Juncker selbst hatte die Frage vor kurzem quasi politisch abgebügelt: "Weil es Frankreich ist." Demgegenüber will Schäuble die Regeln bei großen und kleinen EU-Staaten gleichermaßen anwenden. Den "Sündenfall" sieht er dabei übrigens bereits im Jahr 2003, als Deutschland wegen einer zu hohen Neuverschuldung zwar abgemahnt, aber nicht bestraft wurde.

Italiens Bankenkrise

Zum Zustand der italienischen Banken geben die EU-Finanzminister nur knapp Auskunft. Allein der Vertreter aus Tschechien sprach offen von einer Krise, die schlimmer sei als der Brexit. Wolfgang Schäuble dagegen hängt die Gefahren tiefer und verweist erneut auf die europäischen Regeln. Die enthielten nämlich bei den Staatsbeihilfen genügend "Spielraum für richtige Entscheidungen", ein Fingerzeig für den italienischen Kollegen Pier Carlo Padoan. Gleichzeitig kritisiert Schäuble indirekt die Europäische Bankenaufsicht: Wenn er von faulen Krediten höre, frage er sich, wozu es sie eigentlich gebe. Auf jeden Fall solle man zunächst das Ergebnis des Bankenstresstests Ende Juli abwarten.

Eingang der Bank Monte dei Paschi di Siena (Foto: AFP)
Die älteste italienische Bank hat die meisten faulen KrediteBild: Getty Images/AFP/G. Cacace

Insgesamt geht es um rund 360 Milliarden Euro mutmaßlich fauler Kredite bei italienischen Banken. Ministerpräsident Matteo Renzi will sie entgegen den neuen EU-Regeln mit staatlicher Hilfe sanieren, weil er nicht die italienischen Kleinsparer belasten und an dem Schaden beteiligen will. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Er kann beim Euro-Rettungsfonds ESM um ein Hilfsprogramm bitten, müsste dann allerdings Auflagen erfüllen. Oder er könnte ein Bail-in beantragen, was bei außergewöhnlichen Umständen gewährt werden kann, etwa bei Ansteckungsgefahr für die übrigen Finanzmärkte in der Eurozone.

Gefährdet sind hier allerdings nicht nur die Banken Italiens, sondern vor allem Premier Matteo Renzi. Würde er gestürzt und kämen EU-Skeptiker ans Ruder, hätte Europa eine schwere Krise bei einem Gründungsmitglied am Hals. Aussichten, die allen Beteiligten den Schlaf rauben können. Weshalb Wolfgang Schäuble zum Schluss noch sinniert: "Wer jetzt nicht gut schlafen kann, der kann den Job nicht machen."