Griechen bestimmen EU-Kurs
1. Januar 2014Griechenland steckt immer noch in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 27 Prozent auf negativem Rekordniveau. Steuern steigen. Öffentliche Ausgaben sinken. Hunderte Milliarden Euro an Schulden drücken. Nur ganz langsam bessert sich die Lage, die der griechische Parlamentsabgeordnete Konstantinos Karagkounis als "humanitäre Katastrophe" ansieht. Karagkounis, der der konservativen Partei von Regierungschef Antonis Samaras angehört, sagte bei einem Besuch in Brüssel, trotz leicht nach oben gehender Indikatoren sei die Situation der normalen Griechen einfach desaströs. "Wir müssen mit einer sehr schwierigen Situation fertig werden. Die griechische Präsidentschaft muss große Herausforderungen meistern." Europas ärgster Sanierungsfall übernimmt am 1. Januar 2014 nach einem schon vor Jahren festgelegten Turnus die Ratspräsidentschaft der EU. Die griechische Regierung muss hunderte Sitzungen leiten, komplexe Verhandlungen führen und 13 Ministerräte in Athen veranstalten.
Die Troika ist immer dabei
Viele Griechen empfinden die Haushaltskontrolle durch die sogenannte Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds als fremde Besatzung. Die Troika hat in den Haushaltsberatungen der griechischen Regierung 50 Millionen Euro für die EU-Präsidentschaft zugestanden. Nur 50 Millionen, meint der deutsche Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP): "Die Griechen müssen mit einem Budget auskommen für die nächsten sechs Monate, das um circa 40 Prozent niedriger liegt als das der laufenden Ratspräsidentschaft." Man müsse beim Management und bei der Fülle der Veranstaltungen wirklich sparen, so Chatzimarkakis gegenüber der DW. "Aber Sparen sind die Griechen jetzt gewohnt und deshalb, glaube ich, können sie auch Maßstäbe setzen, wie man künftig Ratspräsidentschaften auch mit weniger Steuergeld effektiv hinbekommt." Der Europaminister Griechenlands, Dimitris Kourkoulas, kündigte an, er wolle sogar mit weniger als dem zugebilligten Haushaltsansatz auskommen. "Mineralwasser statt Sekt, wie in Sparta eben", so ein Mitarbeiter der griechischen Botschaft bei der EU.
Schwerpunkte: Wachstum, Migration und Europawahlen
Griechenlands Präsidentschaft dauert eigentlich nur dreieinhalb Monate, rechnet der stellvertretende EU-Botschafter des Landes, Andreas Papastavros, den Journalisten in Brüssel vor. Denn Ende Mai wird das europäische Parlament neu gewählt. Bis Anfang April müssen deshalb alle Gesetzesvorhaben beraten sein. Besonders will sich Griechenland um die Verabschiedung der Banken-Union, um eine Datenschutz-Novelle, um Flüchtlingspolitik und natürlich, schon aus eigenem Interesse, um Wachstumspolitik kümmern. Während der griechischen Präsidentschaft ist außerdem ein großer Gipfel mit Staats- und Regierungschefs aus Afrika geplant. Auch die Europawahlen und der Wahlkampf sind für die griechischen Ratsvorsitzenden entscheidend, so Andreas Papastavros. "Europa steht am Scheideweg, weil die Europäer das Vertrauen in die Eckwerte Europas langsam verlieren. Skepsis gegenüber Europa macht sich in den Hauptstädten breit. Deshalb kann sich Griechenland nicht nur auf die normalen Aufgaben der Präsidentschaft beschränken. Griechenland muss vielmehr einen gehaltvollen Beitrag zur Debatte um Europas Zukunft leisten", kündigte Andreas Papastavros in Brüssel an. Die griechische Regierung, die nur über eine schmale Mehrheit in Athen verfügt, fürchtet, dass die Europawahl zu einer Protestwahl gegen den strikten Sparkurs von Troikas Gnaden werden könnte. Der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras will aus Athen ins Europa-Parlament und kandidiert sogar für den Chefposten der EU-Kommission.
"Präsidentschaft der Hoffnung"
Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras bleibt seit dem Sommer tapfer bei seiner Botschaft, Griechenland ginge es besser. Das Zauberwort heißt "Primärüberschuss". Nach Abzug aller Schuldendienste verzeichnet der Staatshaushalt tatsächlich ein leichtes Plus. Die Einnahmen des Staates übersteigen die Ausgaben, dank höherer Steuern und dem Aufbau einer ernsthaften Steuerverwaltung. Griechenland habe das geliefert, was die Troika verlangt habe, erklärte Samaras beim letzten EU-Gipfel nicht ohne Stolz: "Griechenland beginnt die Ratspräsidentschaft mit guten Voraussetzungen, mit einem Primärüberschuss im Haushalt, kurz vor einem Aufschwung. Das wird eine Präsidentschaft der Hoffnung werden. Hoffnung für mehr Europa. Hoffnung für ein besseres Europa."
Griechenland verhandelt ein bisschen mit sich selbst
Gleichzeitig hat die Prüfer-Troika Samaras aber auch bescheinigt, dass nicht alle verlangten Reformen fristgerecht umgesetzt wurden. Die fällige Rate der Hilfskredite wurde deshalb nicht ausgezahlt. Im Januar muss der frisch gebackene Ratspräsident über sich selbst mit der Troika nachverhandeln. Außerdem muss Griechenland mit dem Rest der Euro-Zone vereinbaren, wie die griechischen Schulden nach 2014 finanziert werden sollen. Dann nämlich läuft das aktuelle Hilfsprogramm aus. Der Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis unterstützt die griechische Forderung nach einer Senkung seiner Schuldzinsen und nach einer Streckung der Kredite auf 50 Jahre Laufzeit. "Wenn Griechenland nicht mehr so hohe Zinsen zahlen müsste, dann wäre die Tragfähigkeit dieser Schuldenlast gegeben. Dann könnte sich Griechenland auch wieder an die Finanzmärkte wenden. Damit rechne ich, nicht mit neuen Steuermilliarden, die ja auch keine echten Geschenke sind, sondern nur Garantien." Eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft wäre auch gut für das griechische Selbstbewusstsein, so Chatzimarkakis im Gespräch mit der DW. "Die Griechen schaffen das." Schließlich hätten sie ja auch 2004 die Welt mit der Organisation der Olympischen Spiele überrascht.
Im Juli übernimmt dann ein weiteres wirtschaftlich schwächelndes Land die rotierende Ratspräsidentschaft: Italien. Italien braucht allerdings keine Mittel aus den Rettungsfonds, leidet aber ebenfalls unter Rezession und drückenden Schulden. Der italienische Ministerpräsident Enrico Letta hat bereits angekündigt, dass er an die Flüchtlingsthematik der Griechen anknüpfen will. Griechenland und Italien sehen sich als Hauptleidtragende der Zuwanderung aus Afrika und Asien.