EU will Handelsgipfel vor Scheitern bewahren
12. Dezember 2005Noch bevor die Verhandlungen in Hongkong richtig angefangen haben, übt sich die Europäische Union in Schadensbegrenzung. Sie möchte auf gar keinen Fall den Schwarzen Peter haben, wenn die Welthandelsrunde an der Frage der Zölle und Subventionen in der Landwirtschaft scheitert. Die Forderungen der USA und einiger wichtiger Schwellenländer, wie Brasilien oder Indien, die Agrarzölle noch weiter zu senken, weist die EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel empört zurück. Sie bietet eine Senkung um bis zu 70 Prozent und durchschnittlich um 46 Prozent an. Die Rindfleischimporte in die EU, so Kommissarin Fischer Boel, würden zum Beispiel um fünfzig Prozent wachsen können.
Einseitige Interessen
EU-Handelskommissar Peter Mandelson sind durch den Widerstand des EU-Landes Frankreich in Hongkong mehr oder weniger die Hände gebunden. Mehr Belastungen für die heimischen Bauern will er nicht anbieten. Peter Mandelson bringt lieber eine Gegenforderung vor: "Wir würden ohne Zweifel die Unterstützung der EU-Mitglieder verlieren, wenn wir ein neues Angebot zu den Agrarzöllen erwägen würden. Sie sehen einfach nicht genug Gegenleistung für einen solchen Schritt. Bei den Industriegütern erwarten wir von anderen, einschließlich der schnell wachsenden Schwellenländer, dass sie einer vernünftigen Marktöffnung für unsere Firmen zustimmen."
Das Interesse richtet sich nach Einschätzung der EU-Delegation zu stark auf Agrarsubventionen und Zölle, obwohl es in der laufenden Doha-Runde vor allem um Hilfe für die ärmsten Entwicklungsländer gehen sollte. "Gerechter Handel mit diesen Ländern ist nicht einfach", sagt Mandelson. "Er kann sicher nicht dadurch erreicht werden, dass man alle Agrarzölle hinwegfegt. Das würde ihnen in vielen Fällen schaden, denn es würde die Handelsvorteile und Vorzüge ausradieren, die in Europa den ärmsten Ländern auf den Leib geschneidert sind."
"Gute Ansätze"
Die EU ist bereit, ihre Marktordnungen für Zucker, Bananen und Reis zu reformieren. Viele arme Entwicklungsländer würden allerdings bevorzugten Marktzugang verlieren, während große Zucker- und Bananenproduzenten in Mittel- und Südamerika gewönnen. Im Bereich Baumwolle blockieren die USA eine Einigung. Peter Mandelson gibt sich keinen Illusionen hin. Ein Abschluss der Handelsrunde sei nicht in Hongkong, sondern wahrscheinlich erst im Frühjahr 2007 möglich. "Ich bin enttäuscht über das, was dieses Jahr erreicht wurde", sagt er. "Durch die übertriebene Fixierung auf die Landwirtschaft haben wir in Hongkong einfach nicht genug Verhandlungsmasse auf dem Tisch. Wir werden deshalb in diesen Wochen keinen Abschluss erreichen. Trotzdem gibt es einige gute Ansätze, um möglichst viel Fortschritt zu erreichen. Ich möchte hier ein paar Bausteine hinzufügen."