EU will schnellen Handelsvertrag mit USA
15. April 2019Es ist eine "Win-Win"-Situation für beide Seiten, sagt EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zur anstehenden Aufnahme von Gesprächen mit der US-Regierung über den Abbau von Zöllen. Im vergangenen Sommer hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das "Wunder von Washington" erwirkt, als Donald Trump nach einem gemeinsamen Treffen die angedrohten Zölle auf europäische Autoexporte aufschob. Inzwischen wird allerdings die Rhetorik des amerikanischen Präsidenten wieder aggressiver - höchste Zeit um nach Lösungen zu suchen.
Keine Wiederauflage von TTIP
Zwar ist die Europäische Union zentral zuständig für den Abschluss von Handelsverträgen aller Mitgliedsstaaten, sie braucht dafür aber ein spezielles Mandat, das mit Mehrheit verabschiedet werden muss. Dies hat Malmström am Montagvormittag erhalten: "Es ist ein sehr begrenzter Auftrag", präzisiert die Handelskommissarin. Der angestrebte Vertrag solle sich auf Industriegüter und eine Vereinfachung von Konformitätsprüfungen beschränken, um Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantik das Leben zu erleichtern. Landwirtschaftliche Produkte und öffentliche Ausschreibungen blieben außen vor, betont Malmström.
Dennoch erwarten Experten, dass auch solche Vereinbarung bereits Vorteile für beide Seiten schaffen: Die Exporte der EU in die USA könnten um acht Prozent steigen, in der Gegenrichtung wird sogar mit neun Prozent mehr Warenaustausch gerechnet.
Möglicher Kritik griff die schwedische Kommissarin vorweg und versprach: "Dies ist keine Wiederauflage von TTIP, das bleibt auf Eis liegen." Die Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft TTIP war 2017 nach einer Welle von europaweiten Protesten im Tiefkühlschrank verschwunden, als nach dem Amtsantritt von Donald Trump klar wurde, dass die Konflikte zwischen beiden Seiten unüberbrückbar geworden waren. Nun soll der begrenzte Rahmen Kompromisse ermöglichen. Ziel der EU sei es vor allem Zölle zu senken, etwa für Kraftfahrzeuge und KFZ-Teile.
Frankreich leistet Widerstand
Als einziges EU-Mitgliedsland hat sich Frankreich gegen die Eröffnung der Gespräche zum jetzigen Zeitpunkt gestellt. Offiziell begründet Paris das mit dem Ausstieg der US-Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen. Auch Umweltorganisationen schließen sich dem Widerstand an: Europa müsse sich hier prinzipientreu zeigen und wie vereinbart keine Verhandlungen mit solchen Staaten führen.
Tatsächlich steht dahinter im Falle der französischen Regierung wohl die Angst vor der anstehenden Europawahl. Parteien auf der Linken und extremen Rechten könnten Handelsgespräche mit den USA nutzen, um die Unzufriedenheit mit dem Präsidenten anzufachen und damit auch neue Demonstrationen. Egal was im Verhandlungsmandat steht: Allein die Behauptung, es solle ein neues TTIP geben, könnte genügen, viele Franzosen erneut auf die Straße zu treiben.
Kritisch äußern sich auch die Sozialdemokraten im Europaparlament. "Eine Aufnahme von Handelsgesprächen im derzeitigen Klima ist inakzeptabel", erklärt der Berichterstatter im Handelsausschuss Bernd Lange. "Die Trump-Administration macht keine Anstalten, an ihren illegalen Zöllen für Aluminium und Stahl zu rütteln. Immer lauter droht der US-Präsident mit illegalen Auto-Zöllen und auch im Airbus-Streit hört man aus Washington extrem aggressive Töne."
Das Europaparlament konnte sich wegen dieser Kritik auch nach längeren Auseinandersetzungen nicht auf ein positives Votum für eine neue Runde der US-Handelsgespräche einigen. Aber das Mandat wird zunächst von den Mitgliedsländern erteilt, erst für die Absegnung eines Ergebnisses wird die Zustimmung des Parlaments wieder wichtig.
Zunächst ein Start-Datum
"Wir haben noch kein Datum", räumt Cecilia Malmström ein, sie werde jetzt mit ihrem Kollegen, US-Handelsminister Robert Lighthizer, Kontakt aufnehmen. "Wir sind bereit loszulegen", sagt die Schwedin. Auf die Frage nach den Erfolgsaussichten hält sie sich bedeckt. Man wisse, dass der US-Kongress unbedingt die Landwirtschaft in Handelsgespräche mit der EU einbeziehen wolle, aber das stehe für die Europäer nicht zur Diskussion. Mit ihren innenpolitischen Problemen müssten die Amerikaner selbst zurecht kommen.
Ansonsten setzt Malmström auf einen schnellen Erfolg: Es gebe empfindliche Bereiche, aber sie gehe davon aus, dass das man noch bis Anfang November, also bevor die neu gewählte EU-Kommission ins Amt kommt, ein Ergebnis erreichen könne.
Die Geschwindigkeit könnte entscheidend sein. Denn nach den jüngsten Drohungen von Trump bereiten die Europäer ihrerseits neue Maßnahmen gegen die konkret angedrohten Zölle auf Dutzende von EU-Produkten vor. Noch im Laufe dieser Woche soll eine Liste mit neuen Vorschlägen in Brüssel veröffentlicht werden. Es ist genau ein solches Wie du mir, so ich dir", das die EU hofft, durch einen neuen Vertrag mit Washington zu unterbinden.