EZB verschiebt die Zinswende erneut
14. April 2022Ungeachtet der zuletzt erreichten Höchststände bei der Inflation belässt die Europäische Zentralbank ihren Leitzins bei historisch niedrigen null Prozent. Auch die beiden weiteren wichtigen Zinssätze ließ die Zentralbank unverändert, wie sie am Donnerstag mitteilte. Die EZB bestätigte zudem ihren Zeitplan, die milliardenschweren Anleihekäufe im dritten Quartal einzustellen.
Zugleich müssen Banken weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Dieser sogenannte Einlagesatz bleibt bei minus 0,5 Prozent.
Die Inflation stets im Blick
Der EZB-Rat hält die Tür allerdings für eine Erhöhung offen: Er steht bereit, "alle seine Instrumente" bei Bedarf anzupassen. Damit will er sicherstellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei dem Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert. Zuletzt war die Teuerung mit 7,5 Prozent aber weit darüber hinausgeschossen.
Die EZB will als Vorstufe einer Zinswende zunächst ihre milliardenschweren Anleihekäufe auslaufen lassen. Das für den Sommer ins Auge gefasste Aus für das sogenannte APP-Programm ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass sich der Inflationsausblick nicht eintrübt.
Kritische Reaktionen
Viele Ökonomen sind mit der EZB-Entscheidung nicht glücklich. So sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Kramer: "Leider hat die EZB heute trotz einer Inflationsrate von 7,5 Prozent nicht beschlossen, ihre Nettoanleihekäufe und Minus-Zinsen früher zu beenden. Dieses Abwarten ist riskant. Je länger die EZB an ihrer sehr lockeren Geldpolitik festhält, desto mehr steigen die Inflationserwartungen der Menschen und setzt sich die sehr hohe Inflation dauerhaft fest."
Sein Kollege Alexander Krüger von Hauck Aufhäuser Lampe bedauert, dass die EZB kein "ultimatives Enddatum für ihre Nettokäufe nennt. Sie liebäugelt aber stark damit, ihre Nettokäufe im dritten Quartal 2022 zu beenden. Auch der zinspolitische Fahrplan bleibt unbestimmt. Die EZB hält aber daran fest, dass Leitzinsen frühestens 'einige Zeit' nach den beendeten Nettokäufen erfolgen. Wahrscheinlich sind das drei bis vier Monate."
Friedrich Heinemann von der ZEW kritisiert, dass sich die EZB "in einem Dilemma" sehe, weil sie Inflation und Rezessionsgefahr bekämpfen müsse: "Man kann den Mitgliedern des EZB-Rats in dieser Situation nur empfehlen, in die europäischen Verträge zu schauen. Hier findet sich eine klare Antwort, wie die EZB in einer solchen Situation zu entscheiden hat: Die Preisstabilität ist das vorrangige Ziel, diesem sind andere Ziele untergeordnet. Das angebliche Dilemma existiert nicht, wenn die EZB ihren Auftrag ernst nimmt."
dk/hb (dpa, afp, rtr)