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Nach Köln: Facebook-Streit zwischen Migranten

Samar Karam / G. Kassian14. Januar 2016

Die Fälle sexueller Belästigung in Köln belasten auch das Verhältnis zwischen Migranten in Deutschland. In den sozialen Medien beschuldigen sich Menschen aus dem Maghreb und aus dem Nahen Osten gegenseitig.

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Viele Menschen auf dem Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof (Markus Boehm/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/M. Böhm

Die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht haben in Deutschland große Entrüstung ausgelöst. Innerhalb der deutschen Gesellschaft gibt es eine erregte Debatte zwischen denjenigen, die nun noch stärker die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisieren, und denen, die Asylsuchende und Migranten gegen pauschale Vorwürfe verteidigen. Sie warnen davor, ganze Gruppen zu kriminalisieren.

Doch auch innerhalb der Migranten-Community kommt es zum Streit: Arabischsprachige beschuldigen sich gegenseitig, hinter diesen Übergriffen zu stehen. Auf Social-Media-Seiten finden sich gegenseitige Vorurteile und Vorwürfe. Manche Nutzer waren anfangs schnell bereit, syrische Flüchtlinge zu beschuldigen. Nachdem die Kölner Polizei erklärt hatte, dass Tatverdächtige aus Nordafrika stammen, hat sich der verbale Schlagabtausch zwischen beiden Seiten verstärkt.

"Scheußliche Taten gehören nicht zur Kultur"

Über Facebook kommentiert der User Ahmad Alborani: "Diese scheußlichen Taten gehören nicht zur Kultur und Ethik des syrischen Volkes. Sollten einige Syrer darin verwickelt sein, dann sind es entweder Araber, die behaupten, Syrer zu sein, oder es ist eine Rotte von Gestalten, die Assad geschickt hat, um das Ansehen der Flüchtlinge zu schädigen."

Tony Shahoud beschuldigt die aus Nordafrika Kommenden mit den Worten: "Es waren Marokkaner, Algerier und Tunesier, die diese Taten begangen haben." Ähnlich äußert sich Karam Orfali, der die Syrer als unterdrücktes Volk sieht: "Europa hat seine Tore für die syrischen Flüchtlinge geöffnet, und alle haben dies ausgenutzt. Wenn man in Flüchtlingslager kommt, trifft man zehn Leute, die sagen, dass sie Syrer seien, während nur zwei von ihnen wirklich Syrer sind. Der Rest kommt aus Marokko, Algerien, dem Libanon und aus afrikanischen Ländern."

Auch Muhaned Durubi schreibt: "Die meisten Belästiger kommen aus Nordafrika, das haben die Umherstehenden selbst bezeugt. Doch bei denen, die vor dem Krieg geflohen sind, finden wir nicht das Problem der Belästigung. So hat es bei Tausenden Flüchtlingen in Finnland gerade mal zwei Fälle von Belästigung gegeben".

"Zwischen Nordafrikanern und Arabern aus dem Nahen Osten unterscheiden"

Diese Vorwürfe gegen Migranten aus den Maghreb-Staaten weist Axel Gannicus energisch zurück. Er erklärt in einem Facebook-Kommentar: "In Deutschland und Europa hat es seit langer Zeit Nordafrikaner, Algerier, Marokkaner und Tunesier gegeben, und die haben vorher niemals etwas Derartiges getan. Die Araber, die in den letzten paar Monaten aus der Nahost-Region gekommen sind, sind ganz allein verantwortlich für das, was in Deutschland passiert ist. Man muss zwischen den Nordafrikanern und den Arabern aus dem Nahen Osten unterscheiden. Es stimmt, dass die Völker Nordafrikas muslimisch sind, aber sie waren nicht und werden auch niemals Araber sein. Unsere Sprache ist Arabisch nur wegen der Religion."

Bilal Alyamani argumentiert: "Leider reden einige syrische Brüder von sich selbst, als ob sie Engel seien, die vom Himmel herabgestiegen sind, und beschuldigen jetzt die Marokkaner. Ich bin ein Marokkaner, der in Deutschland wohnt, und ich habe die Syrer erlebt. Sie sind wie alle anderen Völker auch."

"Das Bedürfnis, sich selbst zu verteidigen"

Der in Aachen lebende palästinensisch-syrische Psychologe Jamal Sobeh hält diese Frontstellung in Gruppen als Reaktion auf die Silvester-Vorfälle und die Debatte in der deutschen Gesellschaft für nachvollziehbar. Seiner Einschätzung nach leiden viele Migranten unter Identitäts- und Integrationsschwierigkeiten.

Portrait Dr. Jamal Sobeh (Foto: privat)
Der Psychologe Jamal SobehBild: Privat

Im Interview mit der DW sagt er: "Sehr oft spüren Migranten in Deutschland, dass sie Bürger zweiter Klasse sind, ganz gleich, welchen Grad an Integration in der Gesellschaft sie erreicht haben. Das erzeugt in ihnen Druck und das Bedürfnis, sich selbst zu verteidigen, auch wenn dies in einer falschen Weise erfolgt." Dieser Versuch, sich selbst zu verteidigen, werde deutlich in dem Versuch, die Beschuldigung von sich wegzuschieben, indem man sie einer anderen Gruppe zuweist.

Jamal Sobeh meint, dass die deutschen und arabischen Medien dazu beigetragen haben, diesen Konflikt anzufachen. Vorschnell seien die Täter als "Flüchtlinge" und "aus-Nordafrika-Stammende" bezeichnet worden. Lange vor dem Abschluss der Ermittlungen gab es viele widersprüchliche Spekulationen. So etwas führe zu einer Belastung, die sich in dem Versuch entlade, die eigene Gruppe zu idealisieren und andere Gruppen anzugreifen.