Faktencheck: Tarnen Wagner-Söldner sich als Migranten?
1. August 2023Polen Angst machen - das war zuletzt anscheinend das Ziel des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und des russischen Präsidenten Wladimir Putin: Bei einem Treffen der beiden am 23. Juli in St. Petersburg erklärte Lukaschenko, dass die in seinem Land untergebrachten Söldner der russischen Wagner-Gruppe "einen Ausflug nach Warschau und Rzeshow" machen wollten.
Prompt reagierten polnische Politiker und polnische Medien - und auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki äußerte sich zu der Wagner-Gruppe, die möglicherweise auf dem Weg Richtung polnische Grenze unterwegs ist. Er habe Informationen darüber, dass mehr als hundert Söldner der Wagner-Gruppe in Richtung der Suwalki-Lücke vorrückten, also zum Grenzabschnitt zwischen Litauen und Polen, der von der russischen Exklave Kaliningrad bis Belarus reicht.
Im Netz kursieren derweil Behauptungen, wie die Wagner-Söldner angeblich schon jetzt nahezu unbemerkt nach Polen kommen.
Dringen Wagner-Söldner wirklich getarnt als Migranten nach Polen ein?
Behauptung: "Wagneriten dringen unter dem Deckmantel von Migranten in Polen ein", behaupten auf Nutzer auf X, ehemals Twitter. Dabei verweisen sie auf den polnischen Sender Polsat News, der darüber berichtet habe. "Man ist sich sicher, dass illegale Einwanderer aus Weißrussland ins Land einreisen, bei denen es sich in Wirklichkeit um Kämpfer des PMC Wagner handelt", fügt einer der Nutzer hinzu.
DW-Faktencheck: Unbelegt
Die Tweets beziehen sich auf ein Interview mit dem im Warschauer Exil lebenden belarussischen Oppositionspolitiker Pawel Latuschka, das er am 28. Juli dem polnischen Sender Polsat News gab. Doch darin spricht er nicht als Fakt davon, dass Wagner-Söldner von Belarus "unter dem Deckmantel von Migranten" nach Polen eindringen. Er stellt nur Vermutungen auf.
So sagt er im Interview, dass es in Belarus bereits mehrere Tausend Wagner-Söldner geben könnte - und fügt hinzu, dass man sich vorstellen könnte, "dass die Pläne Lukaschenkos und Putins sein können, Wagner-Söldner als Migranten verkleidet zu lenken und einen lokalen Konflikt an der Grenze eines NATO-Landes zu provozieren". Er spricht also rein hypothetisch davon.
Latuschkas Presseteam bestätigte das schriftlich gegenüber der DW: "Herr Latuschka hat nicht behauptet, dass Wagner-Söldner 'als Migranten verkleidet' Polen betreten. Es gibt keine Beweise dafür."
Auch Morawiecki äußert sich zu angeblichen als Migranten getarnten Wagner-Söldnern
Der polnische Ministerpräsident griff das Thema am 29. Juli bei einem Besuch einer Rüstungsfabrik in Gliwice auf. Dabei stellte er zwei Vermutungen über die Wagner-Söldner in Belarus auf. Zum einen sagte Morawiecki: "Vermutlich werden sie auch versuchen, nach Polen einzudringen, indem sie sich als illegale Einwanderer ausgeben." Zum anderen würden die Wagner-Söldner sich "wahrscheinlich" als belarussische Grenzsoldaten tarnen und "illegalen Einwanderern helfen, in polnisches Gebiet einzureisen, um Polen zu destabilisieren".
Diese Behauptungen sind allein Vermutungen über die Zukunft, ohne jegliche Belege. Die rechtspopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) fällt immer wieder mit anti-migrantischen Behauptungen auf.
Derweil sagen politische Experten, die Drohungen Russlands und Belarus' gegen Polen seien inszeniert. Russland versuche mit seinen Drohungen gegen den NATO-Staat, die Unterstützung für die Ukraine zu verringern. "Im Herbst finden in Polen Parlamentswahlen statt. Sowohl Putin als auch Lukaschenko versuchen, sie zu beeinflussen, auch mit Drohungen, damit die Wähler in die 'richtige' Richtung schwenken", sagt Ryhor Nizhnikau, Senior Research Fellow am Finnish Institute on International Affairs, im DW-Interview. So sei das Ziel, von Polens Rolle im Krieg abzurücken, "um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern", erklärt Nizhnikau.
Fazit: Es gibt keinerlei Belege dafür, dass Wagner-Söldner aus Belarus als Migranten "verkleidet" oder getarnt nach Polen eindringen. Auch Latuschka und Morawiecki stellen nur Mutmaßungen auf.
Dieser Artikel wurde am 2. August aktualisiert. Das Treffen von Lukaschenko und Putin fand am 23. Juli statt, nicht wie zunächst geschrieben am 21. Juli.