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Der Traum vom Élysée

Andreas Noll23. März 2015

Noch nie in der französischen Demokratie hat eine Familie so viel politischen Einfluss auf das Land ausgeübt wie die Le Pens. Ihr Ziel: der Élysée-Palast. Der Weg dorthin könnte allerdings noch sehr lang werden.

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EU Parlamentswahl 25.05.2014 Frankreich Front National
Bild: Reuters

Im Élysée-Palast kennt sie sich schon aus. Ein bisschen zumindest, schließlich ist Marine Le Pen, Vorsitzende des "Front National", hier regelmäßig zu Gast, wenn François Hollande sie zu seinen politischen Konsultationen einlädt.

Die Einladung ist kein Privileg. Alle wichtigen Parteichefs werden vom Staatspräsidenten eingeladen. Für die groß gewachsene Frau mit der markanten tiefen Stimme sind diese rituellen Treffen jedoch nur Lockerungsübungen. Denn sie will selbst in den Élysée-Palast einziehen.

Die 1968 als Marion Anne Perrine Le Pen im noblen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine geborene Politikerin hofft, Geschichte zu schreiben: Als erste Präsidentin Frankreichs und erste Politikerin des Front National (FN).

Der Vater als Quertreiber

Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie die früher offen judenfeindliche Rechtspartei "entdiabolisiert". Sie warf Antisemiten aus der Partei und verpasste ihr eine weniger radikale Sprache. Darüber hinaus schnitt sie die Partei auf enttäuschte Wähler zu - und wettert daher gegen Einwanderer, die EU und den "Ultraliberalismus" in der Wirtschaft.

Marine Le Pen teilt aus, aber sie pöbelt nicht, ihre Sprache ist nicht vulgär und ihre Positionen seien nicht rechtsextrem, darauf legt sie besonderen Wert. Begonnen hatte die 46-Jährige ihre Arbeit als Parteichefin mit einer Klarstellung: "Die nationalsozialistischen Lager waren der Gipfel der Barbarei", diktierte sie den Journalisten in die Notizblöcke und erreichte damit auch noch ein breites Medienecho.

Bis dahin hatte man den Front National mit einem anderen Zitat in Erinnerung. Die Gaskammern der Nationalsozialisten seien ein "Detail der Geschichte" hatte ihr Vorgänger im Parteiamt und Vater Jean-Marie Le Pen behauptet. Mehrmals wurde er wegen rassistischer und neo-nazistischer Äußerungen verurteilt.

Frankreich Paris Departementswahlen Jean-Marie Le Pen (Foto: OEL SAGET/AFP/Getty Images)
Entgleisungen: "Front National"-Gründer Jean-Marie Le Pen wurde mehrfach wegen Rassismus verurteiltBild: Joel Saget/AFP/Getty Images

Le Pen, der 1972 den Front National gegründet hat, verfügt zwar auch als Ehrenpräsident noch über großen Einfluss. Die Zukunft der Partei jedoch kann der 86-Jährige alleine schon aufgrund seines Alters aber nicht verkörpern. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass seine regelmäßigen Entgleisungen in der politischen Debatte meist schnell abgehakt werden.

Die Partei als Instrument

Marine Le Pen lehnt Flirts mit "Ewiggestrigen" ab. Die Parteiführung strich mehrere Kandidaten vor den Départementswahlen wegen ihrer rassistischen oder antisemitischen Positionen von der Liste. Diese Konsequenz, zu der auch der politische Streit mit dem Vater zählt, dürfte vor allem zwei Gründe haben: Einerseits sind Marine Le Pen ein beleidigender Extremismus oder die Lust am Skandal persönlich fremd, andererseits ist sie davon überzeugt, dass er dem Front National schadet.

Weil der Weg an die Macht in Paris für die Rechtsextremen im französischen Mehrheitswahlsystem nur über Bündnisse gelingen kann, ist die Partei vielmehr darauf angewiesen, ihren Status als Paria zu verlieren. Entsprechend verlangt die Parteichefin von den im vergangenen Jahr gewählten Bürgermeistern und den bei den aktuellen Wahlen erfolgreichen Départementsräten konstruktive Arbeit und keine Negativschlagzeilen.

Parallel zu ihrem steigenden Erfolg an den Urnen verzeichnet die Partei auch ein explosives Mitgliederwachstum. In den vier Jahren ihrer Präsidentschaft hat Le Pen die Zahl der Mitglieder von 22.000 auf mehr als 83.000 gesteigert und eine Jugendorganisation aufgebaut, die heute deutlich größer ist als die der regierenden Sozialisten. Für eine stärkere lokale Verankerung der Partei sollen außerdem Kandidaten sorgen, die der FN bei der politischen Konkurrenz abgeworben hat.

Der Lebensgefährte als Verbündeter

Nüchtern betrachtet, läuft es beim "Projekt Élysée" also ganz im Sinne Marine Le Pens. Bei den Europawahlen 2014 konnte sie ihren FN gar zur "Ersten Partei Frankreichs" erklären, und bei den Départementswahlen machten ihn die Wähler zur zweitstärksten Kraft im Lande. Und doch ist völlig unklar, wie dieser Weg Le Pen in den Élysée-Palast führen könnte. Die Verbündetensuche läuft jedenfalls schleppend.

Lediglich im Europaparlament, in das im vergangenen Jahr nun auch mit Louis Aliot Le Pens Lebensgefährte und Vizepräsident der Partei gewählt wurde, gibt es Interessenten. Doch das maßgeblich von den Franzosen verfolgte Vorhaben, mit anderen Rechtspopulisten eine eigene Fraktion zu gründen, ist wohl endgültig gescheitert.

Die Nichte als Nachfolgerin?

Marion Maréchal-Le Pen (Foto: AFP/Getty Images)
Thronfolgerin? Marion Maréchal-Le PenBild: AFP/Getty Images

Und auch in Frankreich sieht es derzeit nicht danach aus, als würde die bürgerliche Rechte auf die FN zugehen. Im linken Parteispektrum ist dies ohnehin ausgeschlossen. So ist eine politische Konstellation, mit der Le Pen in Frankreich regieren könnte, derzeit nicht vorstellbar.

Auf eine lange Durststrecke wäre die Familie Le Pen aber zumindest vorbereitet. Mit Marion Maréchal-Le Pen hat die Enkelin des Parteigründers das Kunststück fertig gebracht, als jüngste Abgeordnete der V. Republik in die Nationalversammlung einzuziehen.

Die heute 25 Jahre alte Nichte von Marine Le Pen polemisiert deutlich radikaler als die aktuelle Parteichefin, nimmt weniger Rücksicht und kommt bei stramm nationalen Wählern in Südfrankreich gut an. Manche Beobachter sehen in ihr sogar schon eine Konkurrentin für die ambitionierte Parteichefin. Und für alle Fälle, so der Patriarch am Abend der Départementswahlen, bereite man den Urenkel auf die Wahl 2037 vor…