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Flüchtlingsdrama um Falludscha

18. Juni 2016

Niemand kennt ihre genau Zahl: Massen von Menschen fliehen vor Kämpfen, die eigentlich ihre Befreiung bringen sollen. Die irakische Armee vertreibt den IS - doch der missbraucht Zivilisten als Schutzschilde.

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Geflüchtete in einer Sicherheitszone nahe der Stadt Falludscha (Foto: MOADH AL-DULAIMI/AFP/Getty Images
Zuwenig Geld, um allen zu helfen: Geflüchtete in einer Sicherheitszone nahe der Stadt FalludschaBild: Getty Images/AFP/M. Al-Dulaimi

Nach dem Vormarsch von Regierungskräften ins Zentrum der westirakischen IS-Hochburg Falludscha verschärft sich das Flüchtlingsdrama in der Region. In den vergangenen Tagen seien rund 15.000 Menschen in einem Lager in der Nähe Falludschas eingetroffen, sagte die irakische Parlamentsabgeordnete aus der Provinz Al-Anbar, Lika Wardi der Deutschen Presse-Agentur. Die meisten von ihnen seien Frauen und Kinder.

Die Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC) schätzt, dass seit Donnerstag bis zu 20.000 Zivilisten geflohen sind. Damit erhöhe sich die Gesamtzahl der Flüchtlinge aus Falludscha auf etwa 50.000 Menschen. Wardi geht sogar von mehr als 80.000 Flüchtlingen aus.

Lika Wardi (Archivbild: DW/B. Svensson)
Lika Wardi (Archivbild)Bild: DW/B. Svensson

Helfer in Not

Die Flucht sei nach wie vor extrem gefährlich, da die Menschen zu Fuß gehen müssten, erklärte der NRC. Sechs Menschen seien durch Sprengfallen ums Leben gekommen, ein Mann an Erschöpfung gestorben.

Den Hilfsorganisationen fehlt es zugleich akut an Geld, um die notleidenden Menschen zu unterstützen. Die UN haben 2016 nach eigenen Angaben erst 31 Prozent des Geldes erhalten, das sie für die Versorgung von mehr als sieben Millionen Irakern in Not benötigen. Der NRC-Direktor für den Irak, Nasr Muflahi, rief die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf.

"Falludscha ist befreit"

Irakische Regierungskräfte waren am Freitag rund vier Wochen nach Beginn einer Offensive auf Falludscha ins Zentrum der Hochburg der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) eingedrungen. Ministerpräsident Haidar al-Abadi erklärte die Stadt danach für befreit. Allerdings sind noch nicht alle Viertel unter Kontrolle der Armee. Die Armee kündigte an, sie setze ihre Offensive in Richtung der nordirakischen Stadt Mossul fort.

Wasserausgabe in einem Flüchtlingslager nahe Falludscha (Foto: Geflüchtete in einer Sicherheitszone nahe der Stadt Falludscha (Foto: MOADH AL-DULAIMI/AFP/Getty Images)
Wasser nach den Strapazen: Tausende Menschen sind vorerst in Sicherheit, ohne zu wissen, wie es weitergehtBild: Getty Images/AFP/M. Al-Dulaimi

Demnach begann das Militär einen Angriff auf den Ort Al-Kajara rund 80 Kilometer südlich der letzten IS-Hochburg im Irak. Al-Kajara ist strategisch wichtig, weil hier eine Luftwaffenbasis liegt. Diese soll für die geplante Offensive auf Mossul genutzt werden. Die Einnahme Al-Kajaras werde helfen, den IS zu isolieren, sagte ein Armeekommandeur. Bereits in Falludscha haben die Extremisten eine wichtige Verbindungsroute verloren.

Pyrrhussieg gegen die Dschihadisten?

Doch so sehr das Vorrücken gegen den IS begrüßt wird, ein anderer Brandherd des Iraks könnte dadurch sogar angefacht werden: der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, den beiden größten Strömungen des Islams. Denn mit dem Vormarsch in Falludscha dehnen die Schiiten ihren Einfluss aus.

Obwohl die Stadt im sunnitischen Kernland liegt, sind etliche der berüchtigten schiitischen Milizen an der Operation beteiligt. Diese werden vom Iran unterstützt und stehen de facto außerhalb der Kontrolle al-Abadis. Politiker aus der Region und Menschenrechtler meldeten sunnitische Tote, hunderte Festnahmen und Folter. Davon dürfte wiederum der jüngst geschwächte IS profitieren. Militärexperten fordern deshalb, die Milizen müssten zurückgezogen werden - andernfalls könnte sich der militärische Sieg in eine politische Niederlage verwandeln.

jj/sti (dpa, afp)