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Kein Ende der Flüchtlingskrise in Sicht

Nastassja Steudel21. Juli 2014

Mehr als zehn Millionen Menschen innerhalb von Syrien sollen inzwischen auf Hilfe angewiesen sein. Organisationen wie die Welthungerhilfe versuchen, das Leid zu lindern. Bewaffnete Oppositionsgruppen behindern sie.

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Syrischer Junge hält einen Sack mit Lebensmitteln über der Schulter (Foto: Welthungerhilfe)
Bild: Welthungerhilfe

Im Juli 2014 überschritt die Anzahl syrischer Flüchtlinge in der Türkei nach Angaben der Welthungerhilfe eine Million. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl Kölns. Hinzu kommen noch unzählige weitere, die nicht registriert im Land leben. Durch den Bürgerkrieg haben sie alle ihre gesamte Existenz verloren. Vielen ist bewusst, dass dieser Krieg noch über Jahre so weitergehen kann. Die Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr sinkt. 200.000 von ihnen leben in den 25 Zeltstädten, die die türkische Regierung aufgebaut hat. Der Rest versucht sich vor allem in den Städten im Süden des Landes durchzuschlagen - oft durch illegale und schlecht bezahlte Arbeiten.

Versorgungssystem basiert auf Vertrauen in Ortskräfte

Zwei Milliarden Euro hat die türkische Regierung nach eigenen Angaben allein im vergangenen Jahr in die Flüchtlingshilfe investiert, um die stetig wachsende Anzahl von Menschen aus Syrien versorgen zu können. Das sei ein großer und signifikanter Beitrag, sagt Ton van Zutphen, Landeskoordinator für Syrien und die Türkei der Welthungerhilfe. Ohne die Unterstützung der vielen Nicht-Regierungsorganisationen gehe es trotzdem nicht. Der Niederländer van Zutphen ist seit zweieinhalb Monaten für die Welthungerhilfe vor Ort. Von Gaziantep aus unterstützen er und seine Kollegen die syrischen Flüchtlinge in der Türkei und koordinieren Lieferungen mit Lebensmitteln nach Syrien. Im September 2013 wurde die Zweigstelle eröffnet. Van Zutphen rechnet damit, dass ihre Hilfe noch in den nächsten fünf bis zehn Jahren gebraucht werden wird.

Ton van Zutphen Landeskoordinator Syrien & Türkei der Welthungerhilfe (Foto: Nastassja Steudel)
Van Zutphen: Hilfe wird noch lange gebrauchtBild: DW/N.Steudel

Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigen derzeit innerhalb Syriens mehr als 10 Millionen Menschen Unterstützung. Ton van Zutphen kann selbst nicht über die Grenze nach Syrien reisen. "Wenn ich beispielsweise in einem Gebiet der ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) auftauche, komme ich wahrscheinlich nicht mehr zurück." Deswegen muss er sich auf ein Netz von syrischen Mitarbeitern verlassen. Diese überwachen vor Ort den Transport und stellen sicher, dass alles dort ankommt, wo es benötigt wird. "Remote Management", nennt sich diese Vorgehensweise. Dieses System basiert vor allem auf Vertrauen. Gewissheit, ob alle zuverlässig und loyal sind, habe man nie, sagt van Zutphen, aber es sei wichtiger Leuten zu helfen, als zu kontrollieren.

Hilfsorganisationen brauchen Zustimmung der Oppositionsgruppen

Doch auch den syrischen Mitarbeitern sind viele Gebiete schlicht nicht zugänglich. Die Menschen dort bekommen also keine regelmäßige Unterstützung. Die steigende Anzahl bewaffneter Rebellen- und Terror-Gruppen macht es den Hilfsorganisationen zunehmend schwer. Neben den Regionen, die von den Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad kontrolliert werden, haben auch die Freie Syrische Armee und inzwischen auch die Terror-Gruppe ISIS weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle bringen können.

Syrische Flüchtlinge beim Öffnen einer Hilfslieferung der Welthungerhilfe (Foto: Welthungerhilfe)
Grundnahrungsmittel aus dem LebensmittelkartonBild: Welthungerhilfe

Jede Lebensmittellieferung muss mit den herrschenden Kräften vorher abgesprochen werden. Seit zwei Wochen schon kommen acht Laster der Welthungerhilfe nicht weiter. "Das ist wie ein Tanz. Man macht einen Schritt vor und zwei Schritte zurück", so van Zutphen. Einige Warlords wollten verhindern, dass Gebiete, die sie überfallen wollen, mit Essen versorgt werden. Anderen passe es nicht, dass auch Frauen Essen verteilen. "Wir haben aber unsere Richtlinien und daran halten wir auch fest."

Wer Lebensmittel bekommt, wird mit Hilfe in der Region ansässiger Bürgerräte entschieden. Die erstellen anhand festgelegter Auswahlkriterien Empfängerlisten. Die Betroffenen bekommen Familien-Kartons. Damit müssen sie zwei Monate auskommen. Speiseöl, Zucker, Tee und immer mehr Mehl sind darin enthalten.

Zerstörte Häuser im syrischen Bürgerkrieg (Foto: Welthungerhilfe)
Vielen Syrer haben durch den Krieg alles verlorenBild: Welthungerhilfe

Vor allem in Aleppo sei das jetzt wichtig, sagt van Zutphen. Seit die Assad-Truppen in der Stadt weiter vorgedrungen sind, wird die Arbeit für Organisationen wie die Welthungerhilfe dort immer schwieriger. Von den noch verbliebenen 300.000 Menschen können sie nur einem Drittel helfen. "Bald werden wir überhaupt keinen Zugang zur Stadt mehr haben", sagt van Zutphen. Dann bräuchten die Menschen wenigstens Mehl, um Brot backen zu können.

Zusammenbruch staatlicher Strukturen

Syrische Flüchtlinge in einer Schule. (Foto: Welthungerhilfe)
Hilfsorganisationen versuchen, syrischen Kindern mit provisorischen Schulen ein Stück Normalität zu gebenBild: Welthungerhilfe

Da die staatlichen Strukturen durch den Bürgerkrieg komplett zusammengebrochen sind, half die Welthungerhilfe gemeinsam mit ihrem tschechischen Partner PIN (People In Need) auch bei der Müllbeseitigung. Außerdem wurden Medikamente und Babynahrung an Mütter mit Neugeborenen und schwangere Frauen verteilt. "Syrien war ja kein armes Land", gibt van Zutphen zu Bedenken. "Es gab eine gute Infrastruktur mit Wasser und Elektrizität. Alle Kinder sind zur Schule gegangen. In den nächsten vier bis fünf Jahren werden das immer weniger tun." Seine Organisation könne die Situation auch nicht ändern, aber man leiste einen Beitrag. Vielleicht sei das keine nachhaltige Hilfe, aber im Moment wäre es wichtig. "Sonst haben die Menschen ja nichts."