Fracking lässt die Erde beben
6. Januar 2015Umweltschützer kämpfen schon lange gegen Fracking. Die Fördermethode, bei der Wasser unter Hochdruck in den Boden gepumpt wird, um Gesteinsschichten aufzubrechen, in denen Öl oder Gas lagert, verschmutze das Grundwasser und schade der Umwelt, sagen sie. Die Seismologische Gesellschaft Amerikas (SSA) beschäftigt sich jetzt mit einem weiteren, möglicherweise noch größeren Problem: Fracking kann Erdbeben verursachen.
In Ohio bebte die Erde
Die Verbindung zwischen den Bohrungen und einer seismologischen Aktivität ist Experten bekannt. 2014 gab es eines der bislang stärksten Fracking-Beben in den USA. Im März erzitterte die Erde in der kleinen Stadt Poland im Bundesstaat Ohio. Die Messgeräte zeigten Stärke drei auf der Richterskala.
Seismologen der SSA untersuchten das Beben und und konnten es direkt auf die zeitgleich in der Gegend stattfindende Gasförderung zurückführen. Zudem gab es noch mehr solcher Ereignisse: Die Wissenschaftler identifizierten im Untersuchungszeitraum 77 Erdbeben mit Stärken zwischen eins und drei, die in direktem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Fracking in und um Poland stehen sollen.
"Die Erdbeben in der Gemeinde Poland traten in einer sehr alten, präkambrischen Gesteinsschicht auf, in der vermutlich schon zahlreiche seismische Verwerfungen vorhanden waren", sagte Forscher Robert Skoumal in einer Mitteilung der SSA.
Durch den hohen Druck, mit dem Flüssigkeit in den Boden gepumpt wurde, haben die Gasförderer sozusagen alte Wunden wieder aufgerissen - sie haben Verwerfungen in den Gesteinsschichten erneut aktiviert. Dies führte zu einem Beben, das man an der Oberfläche spüren konnte. Nach diesem Ereignis wurden die Bohrungen gestoppt, und die Erde hörte auf zu beben.
Den Untergrund immer genau im Blick
Die Politik in Ohio reagierte schnell: In dem nordöstlichen Staat gibt es nun ein System, das darauf ausgerichtet ist, Erdbeben in Bohrgebieten zu identifizieren und zu erforschen, erzählt Seismologe Michael Brudzinski von der Miami University in Ohio, die an der SSA Erdbebenstudie teilnahm. Wenn ein Beben der Stärke eins aufgezeichnet wird, untersuchen Fachleute den Vorfall. Wird die Stärke zwei erreicht, werden die Fracking-Bohrungen gestoppt.
Einige Menschen haben kritisiert, dass die Verwerfungen nicht schon identifiziert und markiert werden, bevor überhaupt mit dem Fracking begonnen wird, um Beben vorzubeugen. Leichter gesagt als getan, so Brudzinski: "Es ist sehr schwer, diese Verwerfungen, die dann aktiviert werden, im Vorfeld zu identifizieren. Sie liegen mehrere Meilen tief unter der Erde und sind oft nicht sehr lang."
Die Fracking-Konzerne erstellen zwar Karten von der Gegend, in der sie bohren wollen, aber bis jetzt gibt es noch kein "Frühwarnsystem", das die Verwerfungen sofort sichtbar machen und so Erdbeben verhindern könnte.
"Geringes Risiko"
"Bei jedem Eingriff in den Untergrund kann es zu seismischen Aktivitäten kommen", sagt der deutsche Erdbebenforscher Klaus-Günter Hinzen. In Deutschland traten Erdbeben verstärkt in Bergbaugebieten auf, wo beispielsweise Braunkohle abgebaut wurde. Im Zuge der Energiewende verschwindet dieses Problem langsam. Das gilt aber nicht für Fracking, das in den USA und anderswo auf dem Vormarsch ist.
Trotzdem sei das Risiko beherrschbar, sagt Brudzinski. "Wir können zwar nicht ausschließen, dass größere Beben durch Fracking verursacht werden könnten", so der Seismologe. "Aber es hat so viel Fracking in den vergangenen fünf Jahren stattgefunden, und es hat trotzdem nur eine handvoll spürbarer Erdbeben gegeben - weniger als zehn. Diese Zahlen sagen mir, dass es sehr selten vorkommt, dass Erdbeben auftreten, die groß genug sind, bemerkt zu werden. Von solchen, die wirklich Schaden anrichten könnten, ganz zu schweigen."
Die Tiefe zählt
Natürliche Erdbeben der Stärke drei sind an der Oberfläche normalerweise nicht spürbar. Der Unterschied zwischen ihnen und den Beben, die durch Bohrungen jeglicher Art ausgelöst werden, ist die Tiefe, in der sie auftreten.
"Durch Bergbau initiierte Beben spielen sich in sehr geringer Tiefe ab, weniger als 1000 Meter unter der Erde", erklärt Hinzen. "Bei normalen Beben liegt die Tiefe bei bis zu 15 Kilometern unter der Oberfläche."
Bei dieser Tiefe würde ein Beben der Stärke drei vermutlich nicht einmal einen Sack Reis umwerfen. Aber in früheren deutschen Bergbauregionen wie dem Ruhrgebiet beeinflussten sie das Leben der Anwohner erheblich.
Hinzen: "Leib und Leben waren da erstmal nicht gefährdet, aber ärgerlich war es schon, wenn man jede Nacht von Erschütterungen aufgeweckt wurde."