François Hollande greift nach der Macht
6. Mai 2012In Frankreich zeichnet sich bereits kurz vor Schließung der Wahllokale der erwartete Machtwechsel ab. Erste inoffizielle Prognosen und Hochrechnungen zur Präsidentenwahl sehen den Sozialisten François Hollande deutlich vorn. Je nach Institut lag der 57-Jährige laut belgischen und Schweizer Medien fünf bis sechs Prozentpunkte vor dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. In Frankreich selbst ist die Veröffentlichung von Prognosen oder Hochrechnungen bis 20.00 Uhr MESZ verboten. Dann schließen die letzten Wahllokale in Großstädten wie Paris oder Lyon. In ländlichen Gebieten schlossen die Wahllokale bereits um 18 Uhr.
Bei der Stichwahl haben bis 17.00 Uhr nach Angaben des Innenministeriums knapp 72 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Bei der ersten Runde am
22. April waren es zur gleichen Zeit erst 70,59 Prozent. Damals lag die Beteiligung am Ende des Wahltages bei knapp 80 Prozent. Zu der Abstimmung waren rund 45 Millionen Bürger aufgerufen. Sie sollen nach einem erbittert geführten Wahlkampf darüber entscheiden, wer in den kommenden fünf Jahren das höchste Staatsamt in Frankreich bekleidet.
Sarkozy vor dem Aus
In den letzten Umfragen vor der Abstimmung lag Sarkozy mit bis zu sieben Prozentpunkten klar hinter François Hollande. Sollte der 57-jährige Hollande gewinnen, wäre er der erste sozialistische Präsident Frankreichs nach François Mitterrand, der von 1981 bis 1995 Staatschef war.
Hollande hatte die erste Wahlrunde um das Präsidentenamt am 22. April knapp vor Sarkozy gewonnen. Der Sozialist kam auf 28,6 Prozent, Amtsinhaber Sarkozy auf 27,2 Prozent. Entscheidend für die Stichwahl ist, wie die Wähler jener acht Mitbewerber um das Präsidentenamt abstimmen werden, die es nicht in den zweiten Wahlgang schafften. Mehrere Linkskandidaten empfahlen ihren Wählern, Hollande in der Stichwahl zu unterstützen. Sarkozy buhlt um die Stimmen der rechtsextremen Bewerberin Marine Le Pen.
Hollande und Merkel - eine schwierige Beziehung?
Die Frankreich-Wahl könnte auch Auswirkungen auf die künftige Ausrichtung der Europäischen Union haben. So hat der Sozialist Hollande erklärt, bei seiner Wahl den europäischen Fiskalpakt neu aushandeln und ihn um eine Wachstumskomponente ergänzen zu wollen. Damit sorgte er nicht zuletzt bei der Bundesregierung für Besorgnis. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte mehrfach ihre Sympathie für Amtsinhaber Sarkozy geäußert.
Jetzt geht die Bundesregierung auf Hollande zu: "Wir werden eng mit Frankreich zusammenarbeiten, egal, wie die Wahl ausgeht", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Frankreich sei der wichtigste Partner in Europa. Deutschland habe aber auch dem sozialistischen Herausforderer von Präsident Sarkozy deutlich gemacht, dass der europäische Fiskalpakt beschlossen sei und Verträge einzuhalten seien. "Wir können nicht nach jeder Wahl neu verhandeln. Das weiß auch Hollande", betonte der CDU-Politiker. Die Bundesregierung werde mit Hollande aber auch über dessen Pläne diskutieren: "Jeder, der neu ins Amt kommt, muss sein Gesicht wahren können."
mm/nis (dpa, afp, dapd, rtr)