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Frankreich: Arbeitsmarktreform light

Lisa Louis (Paris) 19. Juli 2016

Frankreichs Parlament stimmt Mittwoch abschließend über die umstrittene Arbeitsmarktreform ab. Die Regierung will das Kapitel endlich abschließen, doch die Gewerkschaften wehren sich. Aus Paris Lisa Louis.

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Frankreich Demo in Marseille gegen geplannten Arbeitsgesetz El Khomri
Bild: Reuters/J. P. Pelissier

Frankreich: Regierung peitscht Arbeitsgesetz durch Parlament

Eigentlich wollte die französische Regierung mit dem Arbeitsgesetz namens Loi El Khomri (benannt nach der zuständigen Arbeitsministerin Myriam El Khomri) bei den Arbeitgebern punkten. Sie wollte zeigen, dass sie auch ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen noch Reformen durchsetzen kann. Doch die vergangenen vier Monate waren geprägt von Streiks, Demonstrationen und der Protestbewegung "Nuit Debout", die aus dem Widerstand gegen das Arbeitsgesetz entstanden ist. Laut Umfragen ist die Mehrheit der Franzosen gegen die Reform. Dennoch wird die Nationalversammlung ihr in der abschließenden Lesung diesen Mittwoch (20.07.2016) wohl zustimmen: Die Regierung hat das Votum an die Vertrauensfrage gekoppelt. Aber das Ende des Widerstandes gegen das Arbeitsgesetz ist das wohl nicht.

Frankreich Myriam El Khomri in Paris
Sie hat lange um die Reform gekämpft: Arbeitsministerin Myriam El KhomriBild: Imago/PanoramiC/S. Allaman

Dabei ist diese Reform gar nicht so durchgreifend. Sie schafft nicht die in Frankreich doch so heilige 35-Stunden-Woche ab und sie führt auch nicht ein Hire-und-Fire-System nach amerikanischem Vorbild ein. Unternehmen können allerdings künftig Arbeitszeiten erhöhen - auf bis zu zwölf Stunden pro Tag, anstelle von bisher höchstens zehn, und 46 Stunden pro Woche, anstelle von bisher 44. Und das für bis zu zwölf Wochen. Sie können auch ihren Arbeitnehmern nur zehn Prozent mehr Lohn pro Überstunde zahlen anstelle wie bisher mindestens 25 Prozent. Das alles müssen sie auf Unternehmensebene mit den Arbeitnehmern aushandeln. Die lokale Vereinbarung hat dann also Vorrang vor einem branchenweiten Tarifvertrag.

Macht der Gewerkschaften würde ausgehebelt

Genau das trifft die Gewerkschaften aber an einem wunden Punkt. Ihre Macht würde man dadurch aushebeln. "Natürlich sind Arbeitnehmer ihrem eigenen Arbeitgeber gegenüber in einer Position der Schwäche und würden sich viel zu sehr herunterhandeln lassen - es ist schon wichtig, dass man auf branchenweiter Ebene verhandelt", sagt Fabrice Angei, der für die Gewerkschaft CGT mit der Regierung über die Arbeitsmarktreform verhandelt hat.

Frankreich Blockade in Douchy les Mines
Proteste gegen die Reformpläne gab es reichlich, auch mal heftiger wie hier bei der Blockade einer Raffinierie in Douchy les MinesBild: picture alliance/NurPhoto/J. Pitinome

Und wenn ein Unternehmen eine solche wie er sagt "rückläufige" Vereinbarung treffe, würde das nur dazu führen, dass alle anderen Unternehmen in dem Sektor nachzögen - sonst seien sie ja nicht mehr konkurrenzfähig. "Letzten Endes führt das zu Sozialdumping," sagt er. Für den Gewerkschafter wäre dies der Anfang vom Ende des französischen Sozialmodells.

Solche Aussagen sind wenig verständlich für Michel Guilbaud, Generaldirektor bei Frankreichs größter Arbeitgebervereinigung Medef. Vor allem, da die Regierung das Arbeitsgesetz doch schon so stark abgeschwächt hat. Die Begrenzung der Abfindungszahlungen hat man herausgenommen - es bleiben nur Empfehlungen für die Arbeitsrichter. Und auch in Zukunft müssen Unternehmen zeigen, dass ihre Umsatzzahlen in Frankreich für eine bestimmte Zeit gesunken sind, bevor sie Angestellte entlassen dürfen - dafür braucht man in Frankreich nämlich die Erlaubnis der Behörden.

Ursprünglich sollten internationale Konzerne Angestellte auch entlassen dürfen, wenn weltweit, aber nicht unbedingt auch in Frankreich, der Umsatz sinkt. "Diese zwei Maßnahmen hätten wir aber dringend gebraucht - unsere Wirtschaft muss dringend flexibler werden", sagt Guilbaud. Ein anderes Ziel des Gesetzes sei gewesen, das französische Arbeitsrecht - eines der kompliziertesten unter den Industrieländern - zu vereinfachen. Inzwischen habe die Regierung das Gesetz in so vielen Punkten nachjustiert, dass es das französische Recht nicht vereinfache, sondern noch komplexer mache.

Viel Lärm um nichts?

Für den Ökonomen Philippe Crevel steht fest: Es versteht inzwischen kaum einer mehr, was in dem Text steht. "Es ist zu einer ideologische Auseinandersetzung zwischen den Gewerkschaften und der Regierung geworden", sagt er. "Und dabei geht das Gesetz die wichtigen Themen wie die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes gar nicht an."

Viel Lärm um nichts also? Nicht ganz, meint Guilbaud. "Immerhin sprechen wir jetzt über Themen, die vor drei oder vier Jahren noch völlig tabu waren - wie Arbeitszeiten und Vereinbarungen auf Unternehmensebene", sagt er. "Ich glaube, viele haben inzwischen verstanden, dass es Reformbedarf gibt."

Gewerkschaftler Angei sieht das natürlich nicht so. Die Gewerkschaften wollen weiterhin gegen die Reform kämpfen. Schließlich gibt es immer noch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde und außerdem muss man das Gesetz noch durch Dekrete umsetzen. "Für den 15. September ist schon die nächste Protestaktion geplant", sagt er. "Wir fordern, dass unser Sozialmodell nicht eingeschränkt, sondern ausgebaut wird, und dass die Regierung die 32-Stunden-Woche einführt."