Frontex-Chef gegen Zäune
15. November 2015Fabrice Leggeri, Direktor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, will mehr Grenzschützer und setzt auf schnellere Registrierung und Identifizierung von Flüchtlingen in sogenannten Hotspots. "Die Grenzschützer sehen sich einer Ausnahmekrise gegenüber, vor allem angesichts der ungeheuren Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die über die Türkei nach Griechenland kommen", sagte Leggeri in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Hauptaufgabe sei es, die Menschen bei der Grenzüberquerung zu entdecken.
"Wir müssen Grenzüberwachung an allen Außengrenzen verstärken, und wir müssen die Kapazitäten in Griechenland steigern", sagte Leggeri weiter. Deshalb sei es wichtig, so viele Grenzschützer wie möglich auf den griechischen Inseln und auch auf dem Festland zu stationieren. Von den im Oktober angeforderten 775 zusätzlichen Grenzschützer sei jedoch erst ein Drittel bereitgestellt worden. Bei der Registrierung müsse man überlegen, ob man einfache Aufgaben wie das Abnehmen der Fingerabdrücke durch Vertragspartner statt durch ausgebildete Grenzschützer erledigen lasse.
"Zäune ändern nur die Migrantenrouten"
Eine bessere Kontrolle der Außengrenzen könne die EU-Mitgliedsstaaten vom Bau von Grenzzäunen abhalten, erklärte Leggeri. Diese hält er für untauglich, da sie "nur die Migrantenrouten" änderten: "Wenn ein Land Zäune baut, kommen die Menschen durch andere Staaten".
In den vergangenen Wochen hatten immer mehr Länder begonnen, sich durch Grenzzäune und schärfere Asylgesetze abzuschotten. Nach Slowenien, das mit dem Bau von Grenzzäunen zum EU-Nachbarn Kroatien begann, kündigte am Freitag auch Österreich "große und kleine Zäune" an. In ein bis zwei Monaten soll ein knapp vier Kilometer langer und 2,20 Meter hoher Zaun direkt am Grenzübergang Spielfeld errichten.
"Geordnete Einreise"
"Es geht um eine geordnete Einreise und nicht um eine Sperre", sagte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Darüber hinaus werde in der Umgebung des Grenzübergangs Spielfeld die Errichtung eines 25 Kilometer langen Zauns vorbereitet, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Wien. Über Spielfeld kommen täglich mehrere Tausend Flüchtlinge nach Österreich. Insgesamt sind laut Mikl-Leitner seit September rund 450.000 Schutzsuchende nach Österreich eingereist.
Keinen Rückgang der Migrantenzahlen registriert bisher Schweden, das Passkontrollen an seinen Grenzen eingeführt hatte. Der schwedische Migrationsminister Morgan Johansson kündigte deshalb weitere Maßnahmen an. Seit Donnerstag kontrolliert die Polizei stichprobenartig den Zug-, Auto- und Fährverkehr von Deutschland und Dänemark nach Schweden. Auch an den Fähren wurden Flüchtlingen wegen fehlender Dokumente keine Tickets verkauft.
Bei Betteln Abschiebung
Die norwegische Regierung will das Ausländergesetz so ändern, dass Asylbewerber ohne Schutzbedarf schon an der Grenze abgewiesen werden können. Auch Dänemark will seine Asylgesetze verschärfen. Anerkannte Flüchtlinge sollen nur noch eine mittelfristig begrenzte Aufenthaltserlaubnis bekommen, die Familie darf erst nach drei Jahren nachgeholt werden. Die Polizei soll das Recht bekommen, Asylbewerber zwangsweise festzuhalten, um ihre Identität zu bestimmen. Und wer betteln geht, wird ausgewiesen. "Niemand soll nach Dänemark kommen, weil er hier eine bessere ökonomische Versorgung hat", sagte Integrationsministerin Inger Støjberg. Auch diese Maßnahmen müssen noch vom Parlament genehmigt werden.
Zuletzt kündigte die neue polnische Regierung an, keine Flüchtlinge im Rahmen des vereinbarten EU-Umverteilungsprogramms aufnehmen. Zwar sei der von seinem Land schon immer kritisierte Beschluss nun de facto "europäisches Gesetz", schrieb der designierte Europaminister Konrad Szymanski auf der rechtspopulistischen Internetseite wPolityce.pl. "Aber nach den tragischen Ereignissen von Paris sehen wir nicht die politische Möglichkeit, dieses zu respektieren." Laut einem Beschluss der EU-Innenminister sollen 160.000 Flüchtlinge innerhalb der Union umverteilt werden. Sie sollen von den völlig überlasteten Ankunftsländern Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten verteilt werden
stu/SC (afp, dpa)