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Föderalismus: Vielfalt und verflochtene Kompetenzen

Daphne Antachopoulos10. März 2006

Die Föderalismusreform ist in der heißen Phase. Es geht um die komplizierte Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Und um die Frage: Wer muss was bezahlen?

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Föderalismusreform soll 'Knoten' zwischen Bund und Ländern lösenBild: picture-alliance/dpa

Die große Koalition hat am Freitag (10.3.2006) die Föderalismusreform in Bundestag und Bundesrat eingebracht, obwohl sie nicht geschlossen hinter den Vereinbarungen zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung steht. Es gebe sehr viele Abgeordnete, die den vorliegenden Entwurf nicht als Ganzes absegnen wollten, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Donnerstag im Rundfunk.

Gegen den Willen der Opposition soll es im Parlament nur eine mehrtägige Anhörung zu dem gesamten Reformprojekt statt Einzelbefragungen durch die Fachausschüsse geben. Bund und Länder hatten sich Mitte Februar nach jahrelangen Verhandlungen auf das Vorhaben geeinigt.

Zuständigkeit der Länder

Es soll die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern neu regeln. Grundsätzlich gilt eigentlich: Die Bundesländer machen die Gesetze. Darin liegt auch die Idee des Föderalismus, so Hans Herbert von Arnim, Professor an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer: "Die Idee ist, dass die Länder bürgernäher sind, dass sie die Verhältnisse in dem jeweiligen Land vor Ort kennen und deshalb den jeweiligen Bürgern angepasste Regelungen treffen können und sich auch gegenseitig Konkurrenz machen, so dass sich am Ende das jeweils bessere System durchsetzt."

Das führt auch zu Vielfalt - zum Beispiel in der Kulturlandschaft Deutschland. Es gibt wohl nirgendwo so viele Opernhäuser und Theater wie in Deutschland. Martin Morlok, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Düsseldorf, meint: "Föderalismus hat ganz wesentlich den Vorzug der Vielfalt. Und Vielfalt ist nicht nur aus Gründen der Abwechslung schön. Sie bietet ja auch Entwicklungspotential. Wenn wir unterschiedliche Modelle haben, können wir ausprobieren, welches am besten den Gegebenheiten entspricht und es auswählen. Zukunftssicherer ist immer Vielfalt und nicht Einfalt - in jedem Sinne."

Keine zentrale Macht in Berlin mehr

Auch die Konsequenzen aus der Nazi-Zeit haben sich in der Verfassung niedergeschlagen: Es sollte nie wieder möglich sein, alle Macht zentral in Berlin zu bündeln und alle Kontrollmöglichkeiten der Bundesländer auszuschalten.

Doch es gibt Fälle - und sie sind mittlerweile die Mehrheit -, in denen der Bund die Gesetze macht und nicht die Länder, sagt Morlok, von der Universität Düsseldorf: "Es gibt eine Reihe von Zuständigkeiten, sagen wir die Außenpolitik, bei denen es unsinnig wäre, die Länder das machen zu lassen. Deswegen gibt es sozusagen aus der Natur der Sache Bundeszuständigkeiten. Und die internationale Verflechtung hat eben dazu geführt, dass es auf vielen Gebieten mittlerweile so ist, dass man den Bund eigentlich für eine einheitliche Regelung heranziehen möchte."

Ein Fall für den Bund

Bundeswehr Soldatinnen in Torgelow beginnen ihre Geländeausbildung
Verteidigungspolitik ist Sache des BundesBild: dpa - Bildarchiv

Auch die Verteidigung, viele Handels- und Währungsfragen oder der Verkehr gehören zu diesem Bereich. In anderen Bereichen dürfen die Länder nur dann Gesetze erlassen, wenn der Bund nicht schon entsprechende Regelungen getroffen hat. Dazu gehört unter anderem das Sozial-, das Zivil- oder das Strafrecht. Im Ausländerrecht, das ebenfalls dazu gehört, regelt der Bund nahezu alles, die Länder führen die Gesetze aus. In wiederum anderen Bereichen gibt der Bund zumindest den Rahmen vor - die Länder haben dann nicht mehr viel Spielraum. Polizei und Bildung liegen dagegen ganz klar im Zuständigkeitsbereich der Länder. Beispielsweise gehören auch Regeln zum Tragen von Kopftüchern an Schulen oder Universitäten zum Bereich Bildung und können daher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein.

Nach der Einführung des Bundesstaatsprinzips im Grundgesetz 1949 hat sich allerdings schleichend eine Bewegung zum Zentralstaat entwickelt. Ein Grund liegt darin, dass die Länder sich immer mehr untereinander abstimmten, auch in länderübergreifenden Gremien wie der Kultusministerkonferenz, sagt von Arnim von der Universität Speyer. Oft ist in diesen Gremien auch der Bund vertreten, beklagt von Arnim. In bestimmten Bereichen sind die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern besonders verwoben. Wenn dann noch EU-Vorschriften hinzukommen, wird es unübersichtlich.

Zunehmende Blockaden im Bundesrat sollen gestoppt werden

Als Reaktion darauf, dass sie immer weniger Dinge selbst regeln dürfen, versuchen die Länder bei der Gesetzgebung des Bundes Einfluss zu nehmen. In Bereichen, in denen sie unmittelbar von den Gesetzen betroffen sind, müssen sie den Regelungen zustimmen. Verweigern sie diese Zustimmung im Bundesrat, der Ländervertretung, dann ist das Gesetz gescheitert. Die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze ist in den letzten Jahren von 40 Prozent der Bundesgesetze auf 60 Prozent gestiegen. Und da es immer auch um Machtdemonstration geht, führt dieses Zustimmungsverfahren immer wieder zu Blockaden. Vor allem dann, wenn im Bundestag eine andere politische Mehrheit herrscht als in den Ländern.

Die Föderalismusreform soll diese Verflechtungen und Machtspiele auflösen und damit den Staat wieder schneller und funktionsfähiger machen. Auch gegenüber der EU muss Deutschland als Einheit auftreten und EU-Regeln bundesweit umsetzen.