Gaddafi gegen den Rest der Welt
28. Februar 2011Nach der Verhängung von UN-Sanktionen gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi berät die internationale Gemeinschaft über ihr weiteres Vorgehen in der Krise. Zahlreiche Außenminister, darunter der deutsche Guido Westerwelle und US-Außenministerin Hillary Clinton, sind dafür am Montag (28.02.2011) zur regulären Monatssitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (UN) in Genf zusammengekommen, der Ministerrat der EU beriet in Brüssel.
In der Eröffnungsrede wies die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, noch einmal darauf hin, dass die Gewalt der libyschen Führung gegen das Volk nicht unbestraft bleiben dürfe. "Solche Angriffe müssen unabhängig untersucht und die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Pillay.
Auch der russische Außenminister, Sergei Lawrow, äußerte sich kritisch über das Verhalten des libyschen Machthabers Gaddafi. "Der Einsatz militärischer Gewalt gegen Zivilisten sei nicht hinnehmbar." Russland verurteile solche Gewalt zutiefst und verlange die sofortige Beachtung internationalen Rechts.
Sanktionen auf dem Weg
Unterdessen haben die EU-Staaten einstimmig Sanktionen gegen die libysche Führung beschlossen. Der Ministerrat verfügte Reiseverbote und Kontosperrungen gegen Gaddafi und rund 25 Vertreter seines Umfelds, wie EU-Diplomaten nach der Entscheidung am Montag in Brüssel mitteilten. Zudem wurde ein Embargo für Waffen und andere Güter beschlossen, die zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Die Sanktionen gelten ab sofort.
Westerwelle forderte einen 60-tägigen Stopp aller internationalen Zahlungen an Libyen. Damit sollten Gaddafi die Mittel entzogen werden, sein Volk zu unterdrücken, sagte der deutsche Außenminister in Genf. Gaddafi dürfe kein Geld mehr haben, um etwa ausländische Söldner anzuheuern. Westerwelle begrüßte das geschlossene Vorgehen der internationalen Gemeinschaft, sich auf konkrete Sanktionen gegen Libyen zu einigen.
Der UN-Sicherheitsrat hatte bereits am Samstag umfassende Sanktionen gegen Gaddafi und seine Gefolgsleute, darunter Reiseverbote, Kontosperren und ein Waffenembargo, beschlossen.
Nachdenken über eine Flugverbot über Libyen
Nach Informationen der "New York Times" prüfen die USA und die Europäische Union ein Flugverbot über Libyen, um Attacken auf Gaddafi-Gegner aus der Luft künftig zu verhindern. Allerdings seien dafür weitere Beratungen im Weltsicherheitsrat notwendig, zitiert das Blatt hochrangige Regierungsvertreter in Washington. Eine entscheidende Rolle spielt in der Angelegenheit dem Bericht zufolge Italien, das einen umfangreichen Freundschaftsvertrag mit Libyen geschlossen hatte. Der italienische Außenminister Franco Frattini hatte am Sonntag erklärt, der Vertrag aus dem Jahr 2008 sei "de facto ausgesetzt". Laut "New York Times" enthält das Abkommen auch eine Nicht-Angriffsklausel.
Nach Experteneinschätzung verkompliziert dies Italiens Position im Falle eines militärisch durchgesetzten Flugverbotes in Libyen. In dem Bericht heißt es zudem, dass die US-Regierung die Möglichkeit prüfe, Gaddafi die Möglichkeit zu nehmen, seine Ansichten per Rundfunk und Fernsehen zu verbreiten.
Großbritannien fror derweil die Guthaben des Gaddafi-Clans ein, wie Finanzminister George Osborne in London mitteilte. Nach Informationen der Zeitung "Telegraph" geht die Regierung davon aus, dass Gaddafi über umgerechnet 23,4 Milliarden Euro in bar verfügt - der größte Teil davon auf Konten Londoner Banken. Der britische Premierminister David Cameron forderte Gaddafi zum Rücktritt auf und schloss sich damit Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama an.
Gaddafi: Es gibt keine Proteste in Libyen
Gaddafi hatte zuvor die gegen sein Land verhängten UN-Sanktionen als "wertlos" bezeichnet. In einem am Sonntagabend von dem serbischen Privatsender Pink TV ausgestrahlten Telefoninterview bestritt Gaddafi zudem, dass es in seinem Land Proteste gibt. Libysche Regierungsgegner brachten jedoch nach eigenen Angaben auch im Westen des Landes inzwischen mehrere Städte unter ihre Kontrolle. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP bestätigte, dass in Nalut 235 Kilometer westlich von Tripolis keinerlei Gaddafi-treue Truppen mehr waren.
Angesichts der eskalierenden Gewalt in Libyen rief die Regierung von Venezuela Anhänger und Gegner von Gaddafi zum Dialog auf. "Wir hoffen, dass sie einen Weg des nationalen Dialogs, der nationalen Versöhnung finden", sagte Außenminister Nicolas Maduro in Caracas. Venezuela gilt als enger Verbündeter Libyens. 2009 unterzeichneten Vertreter beider Länder zahlreiche Abkommen. Der venezolanische Präsident Hugo Chavez schenkte Gaddafi sogar eine Kopie des Schwerts von Freiheitskämpfer Simon Bolivar.
Autoren: Stephan Stickelmann/Sabine Faber (afp, dapd, dpa, rtr)
Redaktion: Nicole Scherschun/Susanne Eickenfonder