1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Gemischtes Zeugnis für Buhari

Daniel Pelz
13. April 2017

Boko Haram-Terror, Krise im Nigerdelta, Korruption: Als Muhammadu Buhari vor zwei Jahren Präsident wurde, lag Nigeria am Boden. Was hat er seitdem geschafft?

https://p.dw.com/p/2b0dq
Muhammadu Buhari speaks during an interview with Reuters at a private residence in Lagos, Nigeria
Bild: Reuters/A.Akinleye

Muhammadu Buharis Wahlsieg vor zwei Jahren hatte kaum jemand erwartet. Er war der erste Oppositionskandidat in Nigeria, der sich gegen einen amtierenden Präsidenten durchsetzen konnte. Mit 54 Prozent der Stimmen besiegte er Amtsinhaber Goodluck Jonathan, der lediglich 45 Prozent bekam. Die Wut auf Jonathan war groß: Seine Regierung schien gegen den Terror der islamistischen Boko Haram-Miliz machtlos zu sein. Die hatte im Norden ein eigenes "Kalifat" errichtet, die Bevölkerung terrorisiert und mehr als 2,6 Millionen Menschen in die Flucht getrieben.

Buhari ist die Trendwende gelungen: "Die nigerianische Armee hat Boko Haram erfolgreich bekämpft", sagt Wolf Kinzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). "Sie haben kein 'Staatsgebiet' mehr, sie treten nicht mehr als Armee auf, sie weichen dem offenen Kampf gegen die Sicherheitsbehörden aus. Mehr kann man militärisch nicht erreichen", so Kinzel auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Generalmajor Lucky Irabor leitet den Einsatz "Lafiya Dole" (Frieden mit allen Mitteln), der die Terrorgruppe signifikant geschwächt hat. "Boko Haram ist nicht mehr in der Lage, so großangelegte Angriffe wie in der Vergangenheit zu verüben", sagt er im DW-Interview. "Wir konnten alle Regierungsbezirke zurückerobern, die die Terroristen unter ihrer Kontrolle hatten und wo sie ihr Kalifat errichten wollten."

Boko Haram: Geschwächt, aber nicht besiegt

Besiegt ist Boko Haram aber noch lange nicht: "Es gibt weiterhin fast täglich Übergriffe und viele Bombenanschläge", sagt die Leiterin des Nigeria-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Hildegard Behrendt-Kigozi.

Mitarbeiter der Spurensicherung in weißen Schutzanzügen und Schutzbrillen sichern Spuren neben einem Autowrack, das von einer Bombe zerstört wurde.
Boko Haram verübt weiterhin Anschläge in NordnigeriaBild: Getty Images/AFP/Stringer

Erst Ende März verschleppten Boko Haram-Kämpfer 22 Frauen und Mädchen. Der Fall erinnert an die Entführung von 276 Schülerinnen aus dem Dorf Chibok vor drei Jahren. Sie hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Rund 200 Mädchen sind noch immer in der Gewalt von Boko Haram. "Wir hoffe, jedes der Mädchen befreien zu können", gibt sich Generalmajor Irabor zuversichtlich. "Bisher haben wir bereits mehr als 30.000 weitere Geiseln gerettet."

Nigeria: Erleichterung über freigelassene Chibok-Mädchen

Doch allein mit militärischen Mitteln kann der Terror nicht beendet werden. "Boko Haram hat einen religiösen Ursprung, hat aber auch sehr viel mit den wirtschaftlichen und sozialen Umständen zu tun, in denen viele junge Leute leben", sagt der nigerianische Priester George Ehusani. Mit seiner Organisation Lux Terra Leadership hilft er Opfern des Boko Haram-Terrors.

Wenn sich diese Lebensumstände verbesserten, mehr junge Menschen Arbeit hätten oder zur Schule gehen könnten, "dann hätten Extremisten auch nicht so leichtes Spiel, sie zu rekrutieren", so Ehusani. Doch Nigerias Elite nehme die tiefe Spaltung des Landes in arm und reich immer noch nicht zur Kenntnis.

Ein Mann in einem schwarzen Anzug mit weißem Priesterkragen und Brille.
George Ehusani meint, dass der Terror nur durch besser Lebensverhältnisse beendet werden kannBild: Konrad-Adenauer-Stiftung

Auch ein anderer Konfliktherd droht wieder aufzuflammen: Seit Jahren verüben Rebellen Anschläge im Nigerdelta. Es ist das Zentrum von Nigerias Ölindustrie. Die Rebellen werfen den Ölfirmen vor, die Umwelt und damit die Lebensgrundlagen vieler Menschen zu zerstören. Die Regierung unter Buharis Vorgänger Goodluck Jonathan zahlte den Rebellen eine monatliche Beihilfe, wenn sie ihre Waffen abgaben. Buhari setzte die Zahlungen aus, was zu neuen Spannungen und Auseinandersetzungen in der Region führte.

Nur symbolische Maßnahmen im Kampf gegen die Korruption?

Auch im Kampf gegen Nigerias grassierende Korruption fällt die Bilanz der Buhari-Regierung gemischt aus. Bereits in seiner Amtszeit als Militärherrscher von 1983 bis 1985 hatte sich Buhari als engagierter Korruptionsbekämpfer einen Namen gemacht. "Seine persönliche Integrität hat ihm [2014] zum Sieg verholfen", meint George Ehusani.

Nach der Wahl hatte Buhari der Korruption den Kampf angesagt. So übernahm er persönlich den Posten des Ölministers. Gerade der Ölsektor gilt als besonders korruptionsgeplagt. Auf dem Korruptions-Index von Transparency International lag Nigeria 2016 auf Platz 136 - von 176 Ländern. Genau dort lag es aber vor zwei Jahren auch schon.

Bisher habe Buhari nur symbolische Maßnahmen gegen die Korruption unternommen, sagt Ehusani: "Viele Nigerianer sind wegen des langsamen Tempos frustriert."

Ein Demonstrant hält ein Poster mit der Überschrift "Investiere in die Infrastruktur - schaffe Arbeitsplätze"
Viele Nigerianer sind mit Buharis Bilanz unzufriedenBild: DW/S. Olukoya

Das liegt allerdings nicht nur am Präsidenten. Im März blockierte der Senat die Ernennung eines neuen Chefs der Anti-Korruptionsbehörde. Beobachter sehen darin eine Niederlage für Präsident Buhari. Sie vermuten, dass viele Abgeordnete keine effektive Behörde wollen - da sie möglicherweise selbst in korrupte Geschäfte verwickelt sind.

Doch für politische Kämpfe fehlt dem Präsidenten wahrscheinlich die Kraft. Im Januar flog er nach London. Seine Regierung verkündete, es handle sich um medizinische Routine-Untersuchungen. Doch der Präsident kam erst Anfang März zurück. Nach Medienberichten war er so geschwächt, dass er danach nur wenige Stunden am Tag arbeiten konnte.

Doch trotz der Unzufriedenheit mit der Buhari-Regierung mahnt SWP-Experte Kinzel zum Realismus. "Es ist völlig unrealistisch, von einem Präsidenten zu erwarten, dass er in zwei Jahren ein völlig korruptes Land umdreht", sagt er. Das sei eine Aufgabe von ein bis zwei Generationen: "Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass man in drei bis vier Jahren einen anderen Staat sehen wird".