Wohin steuert Nigeria unter Buhari?
1. April 2015Wird es Buhari gelingen, die Islamisten von Boko Haram unschädlich zu machen?
Ja, meint Thomas Mösch, Leiter der DW-Haussa-Redaktion. Seiner Meinung nach könnte der Sieg des muslimischen Oppositionskandidaten Buhari für die Bewegung Boko Haram ein schnelles Ende bedeuten. "Auch wenn konkrete Beweise fehlen, ist doch anzunehmen, dass die Gruppe bisher durch Teile der nigerianischen Elite im Land selbst unterstützt wurde", meint Mösch. Vor allem Nordnigerianer hätten durch die Machtübernahme Jonathans vor fünf Jahren um ihren Einfluss gefürchtet und deshalb ein Interesse daran gehabt, dessen Regierung zu destabilisieren. Das sei nun nicht mehr nötig, denn mit Buhari hätten sie jetzt einen Repräsentanten aus dem eigenen Lager. "Ein Großteil der Aktivitäten Boko Harams hat unter Goodluck Jonathan begonnen und wird sich nun nach dem Abgang von Jonathan von selbst erledigen", so Mösch.
Dabei könnten Buhari seine einflussreichen Kontakte im Norden von Nutzen sein. "Buhari ist gut vernetzt und kennt das muslimische Establishment im Norden sehr gut", sagt Robert Kappel, Forscher und ehemaliger Direktor des GIGA Instituts für Regionalstudien in Hamburg. Seiner Meinung nach wird der designierte Präsident den Konflikt nicht nur militärisch angehen, sondern auch eine Verhandlungslösung mit Boko Haram anstreben.
Eine gezielte Entwicklungspolitik für den Norden könnte das Übel an der Wurzel packen: Der Norden Nigerias ist sehr arm und quasi abgekoppelt vom Süden des Landes, der hauptsächlich von seinen großen Ölvorkommen profitiert. Der strukturschwache Norden und besonders die hohe Jugendarbeitslosigkeit dort seien lange Zeit ein "guter Nährboden" für Islamisten gewesen, so Robert Kappel. "Boko Haram bezahlt seine Kämpfer. Die bekommen dann ein kleines Gehalt und eine eigene Aufgabe." Buhari ist nun mit dem Versprechen angetreten, die Missstände im Norden zu verbessern und der jungen Bevölkerung eine Perspektive zu geben.
Buhari versprach im Wahlkampf die Eindämmung der Korruption. Wie realistisch ist das?
Buhari gilt als unbestechlich, dennoch musste er sich im Wahlkampf auch mit Personen verbünden, von denen das genaue Gegenteil bekannt ist. So zum Beispiel Bola Tinubu, der frühere Gouverneur von Lagos. Tinubu soll in seiner Amtszeit auch in seine eigene Tasche gewirtschaftet haben. Zudem könnten andere Teile der nigerianischen Elite, die Buhari im Wahlkampf unterstützt haben, dafür jetzt ihren 'Lohn' einfordern, meint Nigeria-Experte Thomas Mösch. "Ob Buhari mächtig genug ist, dagegen zu halten, müssen wir sehen."
Es hänge außerdem nicht an Buhari allein, sondern auch an den Personen, die er in die Regierung holen werde, sagt Manji Cheto. Die Nigerianerin ist Analystin bei Teneo, einer Firma mit Sitz in London, die Unternehmen in internationalen Angelegenheiten berät. "Man muss sehen, ob Buhari einen positiven Einfluss auf diese künftigen Regierungsmitglieder hat."
Wird Nigerias Wirtschaft vom Präsidentenwechsel profitieren?
Ja, aber nur wenn es dem neuen Präsidenten wirklich gelingt, die Korruption einzudämmen. Das wäre ein sicherer Anreiz für ausländische Unternehmen, mehr in das Land zu investieren. "Nigeria hat der Welt demonstrativ gezeigt, dass es in der Lage ist, einen Mann an die Spitze zu bringen, der gerade da einen guten Ruf hat, wo das Land sonst eher einen schlechten Ruf hat", sagt Cheto.
Nigeria kann das Geld ausländischer Investoren gut gebrauchen, denn das Land hatte in den letzten Monaten vor allem mit dem sinkenden Ölpreis zu kämpfen. 70 Prozent der staatlichen Einnahmen Nigerias stammen aus dem Ölexport, gibt das Auswärtige Amt an. Seit dem Sommer 2014 sind die Preise auf dem Öl-Weltmarkt drastisch gesunken. Das bescherte auch dem nigerianischen Aktienindex NSE eine Talfahrt. Der hatte zwischenzeitlich ein Drittel an Wert verloren. Schon am Tag nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses legte der Index wieder stark zu.
Dass eine effektive und effiziente Bekämpfung von Korruption dazu beitragen werde, das Investitionsklima in Nigeria zu verbessern, glaubt auch Christoph Kannengießer. Als Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft kennt er die Befürchtungen deutscher Unternehmen, die sich für den Standort Nigeria interessieren. "Die deutschen Firmen vor Ort berichten von Korruption. Das ist in dem Land eine Realität. Da führt kein Weg dran vorbei", sagt Kannengießer. Doch mit der Korruptionsbekämpfung allein sei es nicht getan. "Man weiß, dass sich Buhari dem Norden weit mehr verbunden fühlt als dem Süden. Aber für die ausländischen Firmen spielt die Musik im Süden. Die Hoffnung ist, dass man das Engagement im Süden nicht vernachlässigt." Derzeit sind 70 deutsche Unternehmen in Nigeria aktiv, darunter auch große Firmen wie Siemens, Bosch oder die Commerzbank.
Welche Herausforderungen warten noch auf den neuen Präsidenten?
Die weltweite Aufmerksamkeit richtet sich zurzeit vor allem auf die Greueltaten der Terrorgruppe Boko Haram. Der Konflikt im Niger-Delta im Süden des Landes verschwand fast ganz aus der Berichterstattung. Doch genau hier könnte der Streit um das Öl nach dem Präsidentenwechsel wieder aufflammen.
Im Niger-Delta gibt es die größten Ölvorkommen. Trotzdem profitierte die Bevölkerung vor Ort in der Vergangenheit kaum von dem "schwarzen Gold", sondern verarmte immer mehr. Gleichzeitig litten die Bewohner unter der immensen Umweltverschmutzung, die die Ölförderung im Niger-Delta angerichtet hat. Es bildeten sich bewaffnete Gruppen, die versuchten, sich mit illegalen Mitteln selbst an den Öl-Vorkommen zu bereichern. Unter den letzten beiden Regierungen konnte dieser Konflikt eingedämmt werden: Die Gruppen haben Gegenangebote der Regierung akzeptiert und ihre Waffen abgegeben. Dafür konnten sie - von der Regierung unbehelligt - riesige Mengen an Öl stehlen und weiterverkaufen. "Wenn Buhari dagegen angehen will, wird er massive Probleme bekommen, denn er hat das Niger-Delta emotional gegen sich", sagt DW-Redakteur Thomas Mösch. Es hänge jetzt davon ab, welches Angebot Buhari den Eliten im Niger-Delta machen werde, um neue Unruhen zu verhindern.