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Gordon Brown im britischen Herbst

Ruth Rach 9. September 2008

In Großbritannien läuft die Jahrestagung des britischen Gewerkschafts-Kongresses. Schon jetzt ist klar: die Trade Unions lassen kein gutes Haar an der Regierung von Gordon Brown. Ganz unbegründet ist die Kritik nicht.

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Gordon Brown (23.Juni 2008)
Gordon Brown hat sich neuen Aktionspaket entschlossenBild: AP

"Mind the Gap!" – "Achtung vor der Lücke!" – eine Warnung, die sich jeden Tag Millionen von U-Bahnbenutzern in London anhören müssen. Sie werden auf die kleine aber gefährliche Lücke zwischen Bahnsteig und Zug hingewiesen. Aber die Lücke, die derzeit in der britischen Politik in aller Munde ist, ist noch viel gefährlicher, und viel tiefer.

Stillstand statt Mobilität

In einer OECD-Studie heißt es, von allen reichen Ländern besitze Großbritannien die geringste gesellschaftliche Mobilität. Zwischen Arm und Reich klaffe ein Abgrund, der ausgerechnet unter Labour noch tiefer wurde.

Das hat weitreichende Folgen, sagt Chris Grayling von den oppositionellen Konservativen. "Was die Lebenserwartung angeht, so ist die Kluft zwischen Arm und Reich so tief wie vor 150 Jahren", sagt er. Die Vermögensunterschiede seien so drastisch, dass man vielleicht sogar auf viktorianischen Zeiten zurückgehen müsse, um vergleichbare Verhältnisse zu finden.

Tony Blair und Gordon Brown (24.06.2007/AP)
Tony Blairs Politik belastet Gordon BrownBild: AP

"Und Kinderarmut – da gibt es Wohngegenden, in denen 100 % der Kinder in Armut leben", fährt Grayling fort. "Gleich daneben, im Nachbarsviertel gibt es Familien, in denen kein einziges Kind arm ist."

Labour droht die Opposition

Soziale Unterschiede führen zu sozialen Spannungen. Und die wiederum können sich prekär zuspitzen, wenn es mit der Wirtschaft bergab geht. Keine weltbewegende Erkenntnis. Dennoch sorgte ein Memo mit eben dieser Botschaft für Furore.

Eigentlich war die Mitteilung aus dem britischen Innenministerium nur für die Augen von Premierminister Gordon Brown bestimmt, wurde aber dann der Presse zugespielt, die sie in alarmierende Schlagzeilen umsetzte.

Gewaltverbrechen könnten um 19% steigen. Diebstahl und Einbrüche um sieben bis neun Prozent. Rassismus und Fremdenhass könnten zunehmen, Billigarbeiter gnadenlos ausgebeutet werden. Und in muslimischen Communities würden womöglich immer mehr Menschen in den Bannkreis extremistischer Gruppen geraten.

Die Bonzen vom Big Business

Alistair Darling (28.06.2007 /dpa)
Alistair Darling warnt vor düsteren ZeitenBild: picture-alliance/ dpa

Ein düsteres Bild – und eine dringliche Aufforderung an die Labour Partei, sich endlich auf ihre Grundwerte zurückzubesinnen, sagen britische Gewerkschaften. "Wenn die jetzige Regierung an der alten Politik von Blair festhält, und es weiterhin zulässt, dass die Bonzen vom Big Business über die Zukunft unseres Landes bestimmen, dann wird sie nach den nächsten Wahlen unweigerlich die Oppositionsbänke drücken", sagt Brendon Barber, Chef des Gewerkschaftsdachverbandes TUC.

Höhere Steuern für Spitzenverdiener, eine Gewinnsteuer für Energiekonzerne, Steuersenkungen für den kleinen Mann, so lauten die Forderungen des britischen Gewerkschaftsdachverbandes TUC, der diese Woche in Brighton zur Jahrestagung zusammenkommt.

"Die Wirtschaft ist der Krise gewachsen."

Ex-Premier Tony Blair habe eine so große Angst davor gehabt, Labour könnte von der Geschäfts- und Finanzwelt nicht ernst genommen werden, dass er und seine New Labour Gesinnungsgenossen das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit total verraten hätten. Für diesen Fehltritt habe die britische Gesellschaft einen hohen Preis bezahlt: den Verlust ihres sozialen Zusammenhalts.

"Die Verbrechensrate hängt nicht in erster Linie davon ab, ob die Konjunktur stark oder schwach ist", sagt auch Professor Richard Garside vom Kings College London. Viel wichtiger sei die Vermögensverteilung. Wenn das Einkommensgefälle als extrem ungerecht empfunden werde, würde der gesellschaftliche und moralische Konzens aufgeweicht. Ein derartiges Problem lasse sich wohl kaum durch juristische Strafmaßnahmen lösen.

"Zu wenig und zu spät"

Bettlerin (5.12.1995/AP)
Zwischen Arm und Reich klafft ein AbgrundBild: AP

Nun hat sich der Premierminister Gordon Brown zu einem neuen Aktionspaket entschlossen, um den Ärmsten zumindest bei der Begleichung ihrer Strom- und Gasrechnungen zu helfen und Immobilienkäufer mit Steuererleichterungen zu unterstützen. Zu wenig, zu spät, sagen seine Kritiker. Vor einschneidenden Steuererhöhungen für Spitzenverdiener schreckt Gordon Brown weiterhin zurück.

Er betont, die britische Wirtschaft sei der Krise gewachsen. Sein bislang getreulicher Schatzkanzler Alistair Darling warnte unterdessen vor den vielleicht düstersten Zeiten seit 60 Jahren. Beobachter sagen: damit habe sich Darling entweder ungeschickt verplappert, oder aber ganz bewusst von seinem Chef distanziert, der offenbar auch nach der Sommerpause keine glücklicheren Karten in der Hand hat.