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Die Griechen haben das Wort

5. Juli 2015

In einem Referendum stimmen sie über die Reformvorschläge der internationalen Geldgeber ab. Regierungschef Tsipras wirbt für ein Nein. Mindestens 40 Prozent müssen sich beteiligen, damit die Abstimmung rechtsgültig ist.

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Alexis Tsipras bei der Stimmabgabe (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Noch bis 18 Uhr MESZ läuft die Volksabstimmung in dem Euroland. Sie wird ein wichtiges Signal für die künftige Kooperation Griechenlands mit den internationalen Geldgebern senden. Das Votum dürfte knapp ausfallen.

Rund zehn Millionen Griechen sollen darüber entscheiden, ob sie die Forderungen der Gläubiger akzeptieren oder ablehnen. Das Hilfspaket, zu dem diese Bedingungen gehören, ist allerdings am 30. Juni ausgelaufen und damit überholt. Die Athener Linksregierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras (Artikelbild) hat nachdrücklich für ein "Nein" geworben. In diesem Falle wäre äußerst ungewiss, ob Griechenland den Euro behalten könnte. Dieser sogenannte "Grexit" wäre aus Sicht des Bundesaußenministers verheerend. "Selbst wenn wir eine solche Entwicklung finanz- und währungspolitisch bewältigen können, wäre das Signal an die Länder außerhalb der EU verheerend", sagte Frank-Walter Steinmeier dem "Tagesspiegel am Sonntag".

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Nicht verwirren lassen: "Nai" heißt "Ja"Bild: Reuters/Alexandros Avramidis

Notstandskredite für Griechenland?

Wirtschafts- und Finanzexperten spielen ebenso wie die Politik schon längst die Folgen eines solchen Szenarios durch. Der Wirtschaftswissenschaftler Clemens Fuest sieht durchaus Gründe für einen Grexit: "Mit der aktuellen Regierung und den institutionellen Defiziten ist Griechenland außerhalb der Eurozone besser aufgehoben", sagte der Präsident des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung der "Welt am Sonntag". Auch Kai Konrad, Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, spricht sich in der Zeitung für einen Ausstieg aus: "Die griechische Wirtschaft würde sich viel besser entwickeln können, wenn das Land nicht im Euroraum ist."

Andere Experten warnen dagegen vor Griechenlands Austritt aus dem Euro. Der US-Währungsexperte Barry Eichengreen von der Universität Berkeley rechnet in diesem Fall mit einer noch stärker schrumpfenden Wirtschaft und mit Inflation: "Das Chaos würde noch für sehr lange Zeit, vermutlich über Jahre, bestehen." Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält den Grexit für die ungünstigste Option – auch für Deutschland und Europa. Denn in diesem Fall würden noch weniger Kredite zurückgezahlt und damit noch höhere Kosten auf die deutschen Steuerzahler zukommen.

Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, spricht schon von "Notstandskrediten" für Griechenland. Besonders schwierig werde die Lage, wenn Athen - nach einem "Nein" der Griechen - das Geld ausgehe. Um die öffentliche Versorgung aufrecht zu erhalten, "wären kurzfristig Gelder in Brüssel abrufbar", sagte der SPD-Politiker der "Welt am Sonntag". Man werde "die Menschen in Griechenland nicht im Stich lassen".

Chance verpasst

Die frühere griechische Außenministerin Dora Bakogianni hält das ganze Referendum für einen Fehler, und zwar für einen vermeidbaren. Hätte sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht gegen das letzte Angebot von Ministerpräsident Alexis Tsipras gestellt, "hätte Herr Tsipras Probleme gehabt, seinen Vorschlag in den eigenen Reihen durchzubringen. Und dann wäre der Populismus in Griechenland endgültig tot gewesen", sagte die konservative Oppositionspolitikerin. Nun müsse unbedingt "eine Krisenregierung, eine Regierung der nationalen Einheit" das Ruder übernehmen. "Und Herr Tsipras sollte dabei sein, sonst gäbe es eine Regierung mit einer Opposition, die wieder alles kaputt machen würde."

Zwei bis vier Stunden, nachdem die Wahllokale ab 18 Uhr MESZ geschlossen haben, werden aussagekräftige Ergebnisse erwartet. Das Referendum ist allerdings nur dann gültig, wenn mindestens 40 Prozent der wahlberechtigten Griechen tatsächlich ihre Stimme abgegeben haben.

rb/qu (afp, ap, dpa, rtr)