Grüne Computer
4. März 2008Irgendwie merkt man, dass die Informations- und Kommunikationsbranche in Sachen Umweltschutz und Klimawandel ein enorm schlechtes Gewissen haben muss. Als im Frühjahr 2007 der G8-Gipfel in Heiligendamm den Klimawandel in die Weltnachrichten brachte, war die CeBIT längst vorbei, und die Branche hatte das Thema komplett verschlafen.
Das soll diesmal ganz anders werden. Noch nie ist auf einer CeBIT ein Thema so eindeutig zum Mega-Trend erklärt worden wie die "Green IT", die grüne Informationstechnologie, die die Branche nach eigenem Bekunden schon längst praktiziert. Denn, so BITKOM-Präsident August Willhelm Scheer: "Es ist immer besser, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen als ihm hinterher zu rennen." Und Ernst Raue, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG, ergänzt: "Das ist kein PR-Gag. Es ist ein ganz ernsthaftes Thema, das nahezu alle Player der internationalen IT-Branche betrifft."
Das Rechenzentrum - ein Energiefresser
In der Tat. Der weltweite Energieverbrauch der Rechenzentren liegt bei über 120 Milliarden Kilowattstunden. Das ergibt eine Stromrechnung von 5,5 Milliarden Euro und entspricht in etwa der gesamten Jahresproduktion eines deutschen Stromkonzerns. Und bis 2010 soll dieser Strombedarf noch einmal um 60 Prozent steigen.
Doch die Branche fühlt sich zu Unrecht angegriffen. Sie verweist darauf, dass sie für etwa zwei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sei, aber rund sechs Prozent zur weltweiten Wertschöpfung beitrage - in Sachen Energie-Effizienz also um den Faktor drei besser sei als der Durchschnitt aller Branchen. Außerdem - so argumentiert zum Beispiel Martin Jetter, der Chef von IBM Deutschland - sei die energieeffiziente Steuerung von Geräten, Anlagen und Prozessen in der gesamten Wirtschaft ohne moderne Informationstechnologie überhaupt nicht denkbar. Doch dabei müsse auch der Kunde mitspielen, sagt Jetter. Eine Studie der britischen Non-Profit-Organisation "Energy Saving Trust" habe gezeigt, dass Effizienzpotenziale erst dann voll ausgeschöpft werden, wenn Verbraucher moderne Technologien intelligent nutzen. "So können Verbraucher durch umweltgerechtes Nutzerverhalten den Energieverbrauch auch bei modernsten Geräten noch einmal auf ein Sechstel reduzieren", sagt Jetter: "Vom Faktor 100 auf 17 also."
Ein grünes Dorf auf der CeBIT
Den Beweis will die Branche in der Halle Neun auf der CeBIT 2008 (4. bis 9.3.2008) in Hannover antreten. Hier ist das so genannte Green Village aufgebaut - das grüne Dorf. "Wir haben ein Musterbüro aufgesetzt", erklärt Philipp Karch, Bereichsleiter Umwelt und Nachhaltigkeit beim Branchenverband BITKOM: Ein Büro, wie es im Jahr 2003 ausgesehen haben könnte, ein Röhrenmonitor, ein Desktop-PC und einzelne bildgebende Geräte wie Drucker, Kopierer, Scanner, Fax-Gerät. Und dann steht da das Büro aus dem Jahr 2008: "Da haben wir eine andere Ausstattung, eben eine modernere, mit Notebook, LCD-Bildschirm und einem Multifunktionsgerät."
Das Ergebnis kann jeder Besucher sehen: Schon in der Grundlast verbraucht das alte Büro dreimal so viel Energie wie das moderne. Also Leute: Schmeißt die alte Hardware weg und kauft neue, dann könnt ihr ein gutes Gewissen haben. So in etwa lautet die Botschaft hier auf der CeBIT. Die sich aber nicht nur an den End-Anwender, sondern auch an die eigene Branche richtet. "Nach einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Experton kennen nur sieben Prozent der deutschen IT-Entscheider den Energiebedarf der eigenen IT", sagt IBM Deutschland-Chef Jetter. "Kein Wunder, dass in Rechenzentren mit hohem Aufwand oft auf 18 Grad heruntergekühlt wird, obwohl bereits bei 26 Grad Celsius alle Geräte problemfrei betrieben werden könnten."
Die Botschaft: Neu ist Grün
Ein erstes Fazit kann man hier auf der CeBIT schon ziehen. Es gibt noch viel zutun in Sachen Umweltschutz. Heute muss man für jeden Euro, den man in Hardware investiert, noch einmal 70 Cent für Strom und Kühlung rechnen. Tendenz steigend. Bis dieser Trend umgekehrt ist, muss noch viel passieren.