Klage gegen Vorratsdatenspeicherung
9. Juli 2013Im Großen Gerichtssaal des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg wird seit diesem Dienstag darüber beraten, ob die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten vereinbar ist und welche Rolle die nationalen Grundrechte im Verhältnis zu der EU-Gesetzgebung einnehmen. Die CDU bekräftigte vorab trotz der US-Spähaffäre ihr "Ja" zur Vorratsdatenspeicherung.
Die EU-Richtlinie ist seit 2006 in Kraft und regelt, dass die Verbindungsdaten aller E-Mails, SMS, MMS und Telefongespräche durch die Anbieter mindestens sechs Monate bis maximal zwei Jahre gespeichert werden müssen, um sie zur Kriminalitätsbekämpfung nutzen zu können.
Vier Kläger, acht Staaten und vier EU-Institutionen melden sich bei diesem Verfahren zu Wort. In einem vorab vorgelegten Fragenkatalog an die Beteiligten des Prozesses geht es vor allem darum zu klären, in wieweit die Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte mit der Speicherung von Persönlichkeitsprofilen konform sind. Diese Profile sollen Aufschluss über das soziale und berufliche Umfeld aber auch persönliche Gewohnheiten und Tätigkeit einer Person geben. Ob diese vorgesehene Speicherung von Daten dem "Ziel der Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten dienen kann", soll in diesem Verfahren geklärt werden.
Irland und Österreich wehrten sich gegen die EU-Vorlage, Telekommunikationsunternehmen über den vorgesehenen Zeitraum zur Speicherung von Verbindungsdaten ihrer Kunden in die Pflicht zu nehmen. Der Erstbeschwerdeführer der Verfassungsklage, AK Vorrat, ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern mit über 11.000 Klägern, bezeichnete die Vorratsdatenspeicherung als "Verletzung der Menschenrechte". Selbst wenn sich diese Überwachung als geeignet und notwendig herausstelle, sei immer noch die Frage offen, "ob die pauschale Vollüberwachung mit der Ziel der Verbrechensaufklärung verhältnismäßig sein kann", erklärte die irische Menschenrechtskommission weiter.
Die Position der EU-Staaten und EU-Institutionen
Acht Staaten hielten ihre Plädoyers. Die irische Regierung verteidigte die Richtlinie. Sie sei notwendig und verhältnismäßig. Die Vorratsdatenspeicherung sei "durchzogen von Datenschutz". Ob die personenbezogenen Daten sicher sind, sei vielmehr eine Frage der Umsetzung, nicht der Richtlinie selbst. Auch Spanien befürwortete die Verwendung von Vorratsdaten, räumte aber ein, dass ein möglicher Missbrauch "nie ausgeschlossen" werden könne. Italien schlug in seinem Plädoyer eine Ausnahmeregelung für die Länder vor, "die einen stärkeren Grundrechtsschutz für ihre Bevölkerung" wünschen. Österreichs Position blieb aufgrund eines fehlenden Konsens innerhalb der Regierung dagegen unklar. Obwohl keine statistischen Daten zur Nützlichkeit der Datenspeicherung vorliegen, will auch Großbritannien an der Richtlinie festhalten. Klärungsbedarf bestände allerdings noch bei der Speicherdauer.
Das europäische Parlament verdeutlichte in seiner Stellungnahme vor dem Gericht, dass es bei "Binnenmarkt-Regelungen" und der dadurch entstehenden Vereinheitlichung nationalen Standards zur Vorratsdatenspeicherung, nicht auch um die Regelung des Grundrechtsschutzes gehen könne. Die Einstimmigkeit der Länder in dieser Sache, sei wichtig. Bei derlei Regelungen ginge es nicht, "so einen Grundrechtsschutz mitzuregeln", erklärte das Europäische Parlament. Der Europäische Rat betonte, dass das Erstellen und Speichern von Persönlichkeitsprofilen nicht nur "eine Belastung der Bürger" darstelle, sondern gleichzeitig auch die "Unschuld von Beschuldigten" festgestellt werden und man darüber hinaus Zeugen besser finden könne. Alles in allem sei die Speicherung personenbezogener Daten eine "gute Maßnahme", hieß es. Die Europäische Kommission bezeichnete den EU-Beschluss als "nützliche Maßnahme zur Verbrechensbekämpfung". Details der Rechtskonformität müssten aber "den Mitgliedsstaaten überlassen" werden.
Auswirkungen auf Deutschland
Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. Es könnte noch weitergehende Änderungen der Richtlinie nach sich ziehen und ist auch für Deutschland von Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht im März 2010 für verfassungswidrig erklärt. Auf eine Reform konnten sich die Koalitionspartner CDU und FDP bislang nicht einigen.
da/li (dpa, afp, netzpolitik.org)