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LiteraturAfrika

Haftbefehl gegen Tsitsi Dangarembga erlassen

27. Juni 2022

Gegen die Autorin läuft in ihrem Heimatland Simbabwe ein zermürbender Prozess. Am Montag sollte über einen möglichen Freispruch entschieden werden, doch sie tauchte vor Gericht nicht auf.

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Portraitbild von Tsitsi Dangarembga.
Tsitsi Dangarembga war in diesem Jahr Teil der Jury des deutschen Filmfestivals BerlinaleBild: AFP/STEFANIE LOOS

Zwei Jahre lang musste Tsitsi Dangarembga immer wieder vor Gericht in Simbabwes Hauptstadt Harare erscheinen. Zwei Jahre lang wohnte sie einem nervenaufreibenden Prozess bei. Zwei Jahre lang ertrug sie wirre Zeugenaussagen mit gefälschten Beweisstücken. Heute hätte über ihren möglichen Freispruch entschieden werden sollen, doch die Autorin und Filmemacherin konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht erscheinen. Der Prozess wurde vertagt und ein Haftbefehl gegen Dangarembga erlassen. Bereits vergangene Woche hatte ihr Anwalt Christopher Mhike das Gericht über den Krankheitsfall informiert. Die Richterin entschied, der Haftbefehl könne aufgehoben werden, sobald Dangarembga nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat ein gültiges medizinisches Attest vorlege. Als neuen Termin für die mögliche Entlastung Dangarembgas legte sie den 4. August fest.

Für die international renommierte Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und Frau eines Deutschen wäre es ein Leichtes, sich dem Prozess gänzlich zu entziehen und nicht immer wieder für Anhörungen nach Simbabwe zu reisen. Doch Tsitsi Dangarembga ist niemand, der sich vor Problemen drückt. Vielmehr legt sie den Finger genau in die Wunde. Und eben dafür wurden sie und ihre Freundin, die Journalistin Julie Barnes, verhaftet. Am 31. Juli 2020 hatten sich die beiden Frauen Antikorruptionsdemonstrationen gegen die Regierung von Präsident Emmerson Mnangagwa angeschlossen. Im Vorfeld war die Bevölkerung angewiesen worden, zu Hause zu bleiben, Hunderte von Polizisten und Soldaten waren im Einsatz, um die Maßnahmen durchzusetzen. Dangarembga und Barnes trugen Plakate bei sich, die Reformen, die Befreiung inhaftierter Journalisten sowie "ein besseres Simbabwe für alle" forderten. 

Dangarembga hält ein Plakat mit der Aufschrift "We want better reform our institutions" hoch
Dangarembga kämpft seit Jahren in ihrem Heimatland gegen Korruption und für Reformen Bild: Zinyange Auntony/AFP

Ein zermürbender Prozess vor dem Antikorruptionsgericht

Für ihren friedlichen Protest wurden die Frauen umgehend verhaftet. Zwar kamen sie am nächsten Tag auf Kaution frei, doch sie wurden unter anderem wegen des Aufrufs zur Gewalt, Landfriedensbruchs, Bigotterie und Verstoßes gegen die Corona-Auflagen vor Gericht angeklagt. Der laufende Prozess entwickelte sich immer mehr zu einer Farce: Dangarembga und Barnes müssen sich vor dem sogenannten Antikorruptionsgericht verantworten, das als einziges nicht dem Justizministerium, sondern direkt dem Präsidentenbüro untersteht. Über 25 Mal mussten die Frauen in den letzten zwei Jahren vor Gericht erscheinen, mehrmals wurden sie unverrichteter Dinge wieder weggeschickt. Der Richter wechselte dreimal, ein Polizeiinspektor gab im Kreuzverhör durch Dangarembgas Anwälte zu, Beweisstücke manipuliert zu haben, wie etwa die Plakate im Nachhinein gefälscht zu haben: Die Aufschriften auf den ursprünglichen Plakaten seien weder obszön noch habe man einen Aufruf zur Gewalt aus ihnen herauslesen können, gab er später zu.

Dangarembga selbst darf sich während des Verfahrens nicht zum Prozess äußern, doch im Interview mit der DW aus dem vergangenen Jahr gab sie Einblick in das autoritäre politische Regime in ihrem Heimatland: "In Simbabwe gibt es einen Witz: Es gibt Freiheit VOR der Meinungsäußerung, aber es gibt keine Freiheit NACH der Meinungsäußerung", so die 1959 geborene Autorin. "Die Menschen sind sich also bewusst, dass der Staat Konsequenzen ziehen kann, wenn man bestimmte Dinge sagt. Oder wenn er einfach nur davon erfährt - was ziemlich oft der Fall ist, da es augenscheinlich Menschen gibt, die nur allzu bereit sind, darüber zu informieren, was andere tun und sagen."

In der Hauptstadt Harare stehen die Bewohner an den Bohrlöchern Schlange, um Wasser zu bekommen. In den Häusern gibt es kaum fließendes Wasser.
Emmerson Mnangagawa brachte dem Land nicht den erhofften Aufschwung: Noch immer fehlen den Menschen lebenswichtige Grundlagen - wie etwa sauberes WasserBild: DW/P. Musvanhiri

Mnangagwa führt autoritäres Regime weiter

Nach dem Sturz des langjährigen Präsidenten Robert Mugabe und der Machtübernahme durch seinen ehemaligen Weggefährten und Stellvertreter Emmerson Mnangagwa im Jahr 2017 steckt das Land im südlichen Afrika weiterhin in einer tiefen Krise. Die Bevölkerung leidet unter der sozioökonomischen Situation und unter massiven Menschenrechtsverletzungen. In ihren Filmen spricht Dangarembga gesellschaftliche Tabuthemen wie etwa Aids und Gewalt gegen Frauen an. Ihre drei Romane zeichnen den Weg der jungen Tambudzai nach, die sich einem System konfrontiert sieht, in dem Rassismus, Korruption, Frauenfeindlichkeit und Armut das alltägliche Leben der Menschen weiterhin beherrschen. 

Schon allein damit ist sie der regierenden ZANU-PF (Simbabwe Afrikanische Nationalunion/Patriotische Front) ein Dorn im Auge. Vor den Wahlen 2023 spitzt sich die Lage für Oppositionelle und Aktivisten wie Tsitsi Dangarembga zu. Ihr Verfahren bekam viel Öffentlichkeit, da die Autorin kurz vor ihrer Festnahme 2020 mit ihrem Roman "A mournable body" (dt.: "Überleben") auf der Shortlist des Booker Prize, des wichtigsten britischen Literaturpreises, landete. 2021 wurde sie zudem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Mutiger Kampf für Meinungsfreiheit 

Mutige Aktivistin: Tsitsi Dangarembga

"Simbabwe war schon immer ein gewalttätiger und repressiver Staat", so Tsitsi Dangarembga am 24. Oktober 2021 in der Frankfurter Paulskirche, als sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegennahm. "Der neue Nationalstaat, entstanden durch einen brutalen Freiheitskampf, in dem von beiden Seiten Gräueltaten verübt wurden, war ebenso gewalttätig. Die militaristische Rhetorik konzentrierte sich auf Konflikte, Feindschaft und Feindseligkeit, und das ist die Philosophie, die bis zum heutigen Tag die simbabwische Obrigkeit beherrscht." 

2021 zeigte sich Dangarembga im Interview mit der DW noch zuversichtlich, dass die Anschuldigungen gegen sie fallen gelassen würden: "Meine Lage in Simbabwe ist nicht besonders ernst", so die Autorin. Mittlerweile sieht die Lage anders aus: Sollte der Antrag auf Freispruch am 4. August abgelehnt werden, wird die Verteidigung dann ihre Zeugen vorladen müssen. Im Falle einer Verurteilung drohen Dangarembga mehrere Jahre Haft.