G20 muss Welthandel neu ordnen
30. November 2018Dieser mittlerweile zehnte G20-Gipfel am Freitag und Samstag in Buenos Aires ist der erste in Lateinamerika. Der argentinische Präsident Mauricio Macri, der zuhause mit einer Finanzkrise kämpft, will deshalb den 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt die Probleme und Anliegen seines Kontinents näherbringen. "Wir müssen uns immer klar machen, dass wir es mit einer Welt zu tun haben, in der die Gerechtigkeitslücke immer größer statt kleiner wird, und zwar überall." Präsident Macri habe angekündigt, "dass wir eine G20 machen, die etwas für jeden Menschen bringt", beschreibt Pedro Villagra Delgado die argentinischen Ziele. Er ist der Sherpa, der Zuarbeiter des Gastgebers, und hat zusammen mit seinen 19 Kollegen den Gipfel monatelang vorbereitet. "Das ist eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Wenn man genau hinschaut, ist es nicht so. Es müssen Beschlüsse her, die das Leben der Menschen verbessern." Die Gruppe der 20 soll diesmal über die Zukunft der Arbeit in einer digitalen Welt, Bildung, nachhaltige Entwicklung und Lebensmittelsicherheit sprechen.
Pedro Villagra Delgado, dem erfahrenen Diplomaten, ist aber klar, dass ein anderes Thema und vor allem ein Präsident, nämlich der amerikanische, die Szene in Buenos Aires beherrschen wird. Mit seiner "America-first"-Handelspolitik hat Donald Trump Verbündete wie die EU und Kanada, aber auch Rivalen wie China vor den Kopf gestoßen. Strafzölle und Handelskonflikte lassen den Welthandel schrumpfen, mahnt die Chefin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde im Vorfeld des G20-Gipfels: "Es zeigt sicherlich die Auswirkungen, die die Maßnahmen auf die Wirtschaftsleistung haben werden. Im schlimmsten Falle würde die weltweite Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent sinken. Das ist unsere Einschätzung, die wir mit jedem teilen, der sich für Handel interessiert."
Trump will mit China einen "Deal" finden
Bundeskanzlerin Angela Merkel und viele andere haben sich vorgenommen, in Buenos Aires auf einen fairen, freien Welthandel zu pochen. Im Moment sieht die Gemengelage so aus, als würde es einen Gipfel geben nach dem Motto: "Alle gegen einen, alle gegen Trump." Der amerikanische Präsident, der nur einen der zwei Gipfeltage in Argentinien verbringen wird, wird sich auf solche Plädoyers kaum einlassen. Für ihn geht es um "Amerika zuerst", wie er in der vergangenen Woche vor seinem Kurzurlaub zum Erntedankfest noch einmal klar gemacht hat. Die internationalen Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) oder auch die G20 sind ihm da eher lästig. Trump will das Treffen in Buenos Aires nutzen, um mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu sprechen. Er will einen bilateralen Deal und droht gleichzeitig. "Wir machen es sehr gut mit China. China möchte unbedingt einen Deal abschließen. Das sagen sie vielleicht nicht Ihnen, aber sie wollen es ganz doll. Ich habe noch weitere 250 Milliarden Dollar an Zöllen, die ich verhängen kann, wenn wir keinen Deal bekommen. Glauben Sie mir, ich werde sie verhängen, weil China unser Land seit vielen, vielen Jahren beraubt hat. Das wird mit mir nicht passieren", sagte Trump in Washington.
Gipfel neben dem Gipfel
Ob auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Chance haben wird, mit Donald Trump über Strafzölle auf Stahl und Auto zu verhandeln, ist unklar. Die im Sommer begonnenen Gespräche der transatlantischen Partner stocken. Juncker lehnt den Ansatz der USA, wonach jeder sich selbst der Nächste sei, ab. "Ich mag den Unilateralismus nicht, der nicht Rücksicht nimmt auf die Bedürfnisse der anderen. Ich werde immer ein überzeugter Multilateralist bleiben", sagte Juncker in seiner Rede zur Lage der Union im September.
Geplant war am Rande des G20-Gipfels auch ein Treffen Trumps mit dem russischen Präsidenten Waldimir Putin. Über sein Lieblingsmedium Twitter sagte der amerikanische Präsident das Treffen jedoch am Donnerstag ab mit der Begründung, dass Russland die festgenommenen ukrainischen Seeleute bisher nicht freigelassen habe. "Ich mag keine Aggression", sagte Trump. Beide Seiten streiten aktuell nicht so sehr um Handelsfragen, sondern auch um den INF-Vertrag zum Verbot von atomaren Mittelstreckenwaffen, den Donald Trump aufkündigen will. Die USA werfen Russland vor, den Vertrag zu unterlaufen, was der Kreml bestreitet.
Afrika, Bildung, Chancen
Neben der "Trump-Show", wie EU-Diplomaten das zu erwartende Spektakel bezeichnen, werde es in Buenos Aires viele Gespräche über die bessere Ausbildung von Jugendlichen und Arbeitnehmern gehen. Im letzten Jahr hatte Deutschland als G20-Präsidentschaft einen besonderen Schwerpunkt auf Afrika gelegt. Der "Pakt für Afrika", der in Hamburg beschlossen wurde, sei ganz erfolgreich gewesen, meint der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa. Er hatte kürzlich Deutschland besucht und an einer G20-Vorbereitungskonferenz teilgenommen. Ramaphosa sagte an die deutsche Delegation gewandt: "Die Art und Weise, wie ihr System funktioniert, wo Arbeitnehmer, Unternehmen und der Staat zusammen arbeiten, war für uns ein Fenster, durch das wir schauen konnten. Wir können sagen, wir werden das lernen. Eine Herausforderung ist dabei der Mangel an Fähigkeiten. Es gibt einen riesigen Mangel an Fachkräften in unserem Land. Da kann uns Deutschland noch viel beibringen."
Die Ausbildung von Fachkräften könne nicht nur für Afrika, sondern für viele Teile der Welt ein Vorbild sein, meint G20-Sherpa Pedro Villagra Delgado. "Wir zeigen der G20 die Sicht des Südens, die Perspektive eines Entwicklungslandes. Denn das sind wir immer noch, ein Entwicklungsland. Das schlägt sich klar in unseren Prioritäten nieder." Und diese Prioritäten seien nun einmal andere als die, die der US-Präsident habe, so Villagra Delgado.
Pflicht zur Zusammenarbeit
Die argentinischen Gipfel-Gastgeber hoffen, dass am Ende die Führer der Welt, die immerhin gut 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung vertreten, trotz Trump, wieder enger zusammenrücken. "Mein Wunsch ist es, dass sich im Abschlussdokument des G20-Gipfels die Verpflichtung der Mächtigen erkennen lässt, dass sie für unser aller Wohl wieder zusammenarbeiten." Die Gipfel-Erklärung wird erst am zweiten Tag verabschiedet, wenn Donald Trump schon wieder auf der Heimreise sein wird. EU-Diplomaten sagten vor dem Gipfeltreffen, in vielen Punkten gebe es auch Übereinstimmung mit der US-Delegation. Man wolle zum Beispiel gemeinsam die Welthandelsorganisation WTO reformieren. Und eines müsse man Trump und seinen Leuten zugute halten: "Sie haben eine Menge angestoßen und Bewegung in alte Konflikte gebracht." Pedro Villagra Delgardo, der Sherpa, fasst sein persönliches G20-Motto so zusammen: "Einzig sicher ist, dass sich alles ändert. Einen statischen Zustand gibt es in der internationalen Gemeinschaft nicht."