Hermannstadt im Theaterfieber
14. Juni 2018Läuft man entlang der ehemaligen Wehrmauer und der wunderschönen alten Häuserfront, gelangt man unweigerlich zum Thalia-Theater. Es wurde 1788 erbaut und ist Teil der Festungsanlage der im Mittelalter von deutschen Siedlern gegründeten Stadt.
Hermannstadt ist das ganze Jahr über ein Touristenmagnet. Die Straßencafés und Restaurants sind stets gut besucht, ebenso wie Museen, Kirchen, Theater und die Philharmonie. Eine große Attraktion sind zudem die in ganz Siebenbürgen errichteten Kirchenburgen - einst von den sogenannten Siebenbürger Sachsen als Verteidigungsanlage erbaut, sind viele davon samt ihren historischen Orgeln inzwischen mit deutschen Mitteln liebevoll restauriert.
Immer wieder gibt es in Hermannstadt attraktive Veranstaltungen, doch das größte Kulturereignis der Stadt und der ganzen Region ist das Internationale Theaterfestival, das alljährlich im Juni zehn Tage lang Hunderttausende von Besuchern aus dem In- und Ausland anlockt. Im Jubiläumsjahr nehmen über 3000 Künstler aus 73 Länder an mehr als 500 Events teil. An den 73 Spielstätten werden täglich fast 70.000 Zuschauer erwartet. Dabei begann einst alles ganz bescheiden: "Wir haben mit acht Stücken aus drei Ländern angefangen", erinnert sich Festivalleiter und -gründer Constantin Chiriac.
Aus Leidenschaft zum Theater
Das Motto zum 25-jährigen Bestehen des FITS ist symbolträchtig: "Leidenschaft". Sie sei der eigentliche "Schlüssel zum Erfolg" dieser Riesenveranstaltung am Fuße der Karpaten, so der Intendant. Dazu gehörten noch "Kontinuität, stetige Weiterentwicklung und Vision". Doch in all den Jahren hatte vor allem ein Kriterium Priorität: die Qualität der Aufführungen, betont Chiriac, der nicht nur das Nationaltheater und das Festival leitet, sondern auch ein bedeutender Schauspieler ist.
"Es ist erstaunlich, was dieser Mann auf die Beine stellt - sensationell", meint Krista Birkner, jahrelang am Burgtheater, jetzt im Berliner Ensemble zuhause. Beim Festival war die Schauspielerin mit "Szenen einer Ehe" von Ingmar Bergman, einer Koproduktion der deutschen Abteilung des Hermannstädter Nationaltheaters und des Stadttheaters von Esch an der Alzette in Luxemburg, zu sehen.
Birkner wurde bereits zum zweiten Mal eingeladen, in Sibiu mitzuwirken, und ist darüber sehr glücklich. Eine dritte Produktion ist schon für den Herbst geplant – mit einem sehr bekannten deutschen Regisseur. Der Name soll aber noch ungenannt bleiben.
Birkner ist begeistert von der "Hingabe und Intensität", mit der ihre rumänischen Kollegen spielen, von der Art, "wie die sich reinschmeißen", von der "Herzlichkeit der Menschen allgemein", von der "Liebe, mit der sie alles tun – nicht nur am Theater". Nach Rumänien zu kommen, ist für sie auch eine Rückkehr zu ihren Wurzeln. Denn die in Neumarkt (rumänisch "Târgu Mureș") geborene Schauspielerin, die Deutsch und Ungarisch als Muttersprache hat, siedelte erst im Alter von 13 Jahren mit ihren Eltern in die Bundesrepublik über.
"Ich liebe es, hier zu sein, die Menschen, das Essen, ich versuche auch, mein Rumänisch aufzufrischen. Und plötzlich sind alle Kindheitserinnerungen wieder da", so Birkner. Auch die frühe Liebe zum Theater und die Faszination für dessen "Zauber".
Die Liebe, wenn auch eine andere, hat auch den aus Bayern stammenden Schauspieler Daniel Buchner, der bei dem rumänischen Regisseur David Esrig studierte, nach Hermannstadt geführt. Das war vor sieben Jahren, und wie das Schicksal es wollte, war gerade eine Stelle am Theater frei.
Vielfalt, Tradition und Kontinuität
Das deutsche Theater in Hermannstadt hat eine über 340 Jahre alte Tradition, und die ist für Constantin Chiriac "verpflichtend". So sind regelmäßig bedeutende Regisseure und Schauspieler aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum zu Gast, und es bestehen Kooperationen mit wichtigen deutschen Institutionen, wie dem IFA (Institut für Auslandsbeziehungen) oder dem Goethe-Institut.
Vor drei Jahren hat Chirac dem Luxemburger Schauspieler und Regisseur Daniel Plier die Leitung der deutschen Theaterabteilung anvertraut. Was Plier nach Hermannstadt verschlug? Es war, was sonst, die Liebe. Als Hermannstadt und Luxemburg 2007 beide den Titel "Kulturhauptstadt Europas" trugen, gab es auch Gemeinschaftsproduktionen. Dabei verliebte Plier sich in eine rumänische Schauspielerin des Nationaltheaters Hermannstadt, heiratete und ließ sich nieder.
Multikulturelle Besetzung
"Es ist auch ein bisschen Heimatgefühl", erklärt er. "Ich bin wie meine Vorfahren her gekommen, bloß 800 Jahre später… ich habe etwas länger gebraucht." Ein Großteil der Siebenbürger Sachsen stammt tatsächlich aus Luxemburg und von der Mosel. Die Zusammensetzung der deutschen Theaterabteilung spiegelt die multikulturelle Vielfalt Siebenbürgens wider: rumänische, deutsche und ungarische Muttersprachler.
Und die feiern am kommenden Sonntag (17.6. 2018) den Abschluss des Festivals zusammen mit Gästen aus aller Welt so, wie es begann: mit einem riesigen Feuerwerk. Die Vorbereitungen für das kommende Festival, dann mit dem Fokus auf Deutschland, sind schon längst im Gange.