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Hoffnungslos im Libanon

Anna Lekas Miller, Libanon/NSh15. Oktober 2015

Viele syrische Flüchtlinge im Libanon hatten gehofft, bald wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Doch der Bürgerkrieg dauert an - und die Hoffnungen wenden sich Richtung Europa. Anna Lekas Miller aus dem Libanon.

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Libanon Flüchtlinge aus Syrien (Foto: JOSEPH EID/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/J. Eid

Auf den ersten Blick sieht die Flüchtlingsunterkunft in Miniyeh, einer Region im Nord-Libanon, eher wie ein Gewächshaus aus. Aus Plastikplanen errichtete Zelte stehen vor der malerischen Kulisse einer Zitrus-Plantage. Einst hatte man gehofft, dies würde nur eine vorübergehende Unterkunft sein, doch inzwischen ist das Camp zu einer permanenten Einrichtung geworden für die syrischen Flüchtlinge, die sich momentan im Libanon aufhalten. Schätzungen gehen von bis zu 1,6 Millionen aus.

Maher* ist ein gut aussehender Mann mit einem fest zugeknöpften Kragen und spitzen Schuhen. In Aleppo arbeitete er in der Landwirtschaft und kümmerte sich um Gewächshäuser in Syrien. Hier, im Libanon, hat er nur noch ein paar Setzlinge in Töpfen vor seinem Zelt stehen, einer aufgestellten Plastikplane auf einem Acker, 20 Minuten von der libanesischen Stadt Tripoli entfernt. Ein Zelt, das von der libanesischen Regierung als "unbewohnbar" erachtet wird.

Libanon Flüchtlinge aus Syrien (Foto: JOSEPH EID/AFP/Getty Images)
"Unser größtes Problem ist, dass wir hier nicht weg können."Bild: DW/A.L. Miller

"Es gibt viele Probleme hier im Camp", sagt Maher, während er im Schneidersitz auf einer der Matratzen sitzt, die ordentlich nebeneinander auf dem Boden liegen. Auch wenn sein Zelt eigentlich kaum Möglichkeit dazu bietet, hat er es in zwei Räume unterteilt. In eine Küche, in der er getrocknete Lebensmittel und einen kleinen Gasofen hat. Und in ein Schlafzimmer, das auch als Wohnzimmer dient, mit Matratzen auf dem Boden, einem Fernseher und einem kleinen elektrischen Hometrainer in der Ecke. Alles sieht extrem ordentlich aus, man erkennt einen Blick fürs Detail.

"Unser größtes Problem ist, dass wir hier nicht weg können", sagt er.

Ein Leben in der Illegalität

Wie viele Syrer hat Maher vor zweieinhalb Jahren mit seiner Frau und den zwei Kindern Aleppo verlassen in der Erwartung, in ein paar Monaten, wenn sich die Lage stabilisiert hat, wieder zurückzukehren. Doch aus ein paar Monaten wurde ein Jahr, aus einem Jahr wurden zwei. Und das vorübergehende Leben unter einer Plastikplane auf "unbewohnbarem" Land wurde zu einer Dauerlösung.

Auch aus rechtlicher Sicht wird die Situation der syrischen Flüchtlinge immer weniger tragbar. Die libanesische Regierung verlangt von den Syrern zahlreiche Abgaben und stellt Bedingungen, wenn sie ihre Visa verlängern und legal im Libanon bleiben wollen. Wie viele seiner Landsleute hat Maher deshalb keine Papiere und kann sich weder frei bewegen, noch hat er Zugang zur Grundversorgung.

Libanon Flüchtlinge (Foto: Osie Greenway)
Bild: Osie Greenway

"Das beeinflusst jeden Lebensaspekt der Menschen hier", erklärt Layal Abou Daher vom norwegischen Flüchtlingsrat. "Wenn man sich nicht frei bewegen kann, wie soll man dann einer Arbeit nachgehen? Wenn man Opfer eines Verbrechens wird, wie soll man damit zur Polizei gehen?"

Trotzdem hat Maher das Camp ab und zu verlassen, um nach Arbeit zu suchen, auch wenn er damit riskiert hat, verhaftet zu werden. Nachdem er einmal an einem Checkpoint aufgegriffen wurde, einen Monat im Gefängnis verbrachte und einige tausend Dollar an einen Anwalt zahlen musste, um wieder freizukommen, fand er sich mit der Enge im Flüchtlingslager ab - seiner Familie zuliebe.

Viele Kinder müssen ihre Familien finanziell unterstützen

Auch wenn Mahers Vater auf dem Gemüsemarkt in Tripoli arbeitet, reicht das wenige Gehalt nicht aus, um die ganze Familie zu ernähren. Abou Daher zufolge hat dies dazu geführt, dass viele Familien ihre Kinder arbeiten lassen. Damit hätten sie eine alternative Einnahmequelle, ohne die Inhaftierung des Vaters zu riskieren.

"Es herrscht die Annahme, dass Frauen und Kinder nicht so einfach inhaftiert würden", sagt Abou Daher. "Statt in die Schule zu gehen, müssen die Kinder arbeiten, denn das Familienoberhaupt kann das hier nicht legal tun."

Um seinen eigenen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, will Maher in den nächsten Wochen in Richtung Europa aufbrechen. Das Geld für die Schmuggler, die seine Frau, die drei Töchter und ihn in einem Boot vom Libanon in die Türkei und nach Griechenland bringen sollen, hat er sich geliehen. Eigentlich können syrische Flüchtlinge mit einer Fähre oder einem Flugzeug legal in die Türkei einreisen, doch weil Maher und seine Familie im Libanon keine Aufenthaltsgenehmigung haben, gilt das für die kleine Familie nicht. So müssen sie sich nicht nur von einem, sondern von zwei Schmuggler-Schlauchbooten über das Meer bringen lassen.

"Hier haben meine Kinder keine Bildungschancen", sagt Maher, während seine Kinder in einem benachbarten Zelt spielen. "Sie können noch nicht einmal ihre Namen selbst schreiben."

Warten auf den Winter, Hoffnung auf Europa

So lange er auf das Geld wartet, schicken ihm Familienmitglieder Nachrichten, wie ihre Flucht verläuft und wie die Situation in Deutschland ist. Maher will nicht vor Einbruch des Winters aufbrechen, wenn das Wetter kalt und das Meer immer gefährlicher wird. Seine sieben Monate alte Tochter Rana passt noch nicht einmal in die Schwimmweste.

Infografik Verteilung syrischer Flüchtlinge 2011-2015 Deutsch

Der Winter im Camp birgt allerdings seine eigenen Risiken. An diesem perfekten Oktobertag sitzen viele der Flüchtlinge vor ihren Zelten und genießen die Sonnenstrahlen, die durch die Blätter der Zitronen- und Granatapfelbäume hindurch scheinen. Doch bei rauem Wetter ist das Camp ungeschützt. Das bedeutet heiße Sommer ohne Ventilatoren und kalte Winter ohne Heizung. Schon ein leichtes Nieseln verwandelt den Boden in Schlamm. Heftige Regenfälle bedeuten überflutete Zelte, Unterkühlung und viele Krankheiten.

Für die meisten Flüchtlinge wird das Camp weiterhin ihr Leben bestimmen. Obwohl Hunderttausende Syrer mittlerweile Europa erreicht haben, sind das doch noch nur 0,2 Prozent aller syrischen Flüchtlinge.

Maher zuckt mit den Schultern, als ich ihn frage, ob er Angst hat vor der Flucht hat: "Selbst wenn wir auf dem Weg sterben sollten - hier würden wir garantiert nicht überleben."

*Aufgrund seines Aufenthaltsstatus im Libanon und seiner Fluchtpläne hat Maher darum gebeten, seinen richtigen Namen hier nicht zu nennen.