Fotograf Tillmans erhält Goslarer Kaiserring
5. Januar 2018Der undotierte Kaisserring gilt weltweit als eine der wichtigsten Auszeichnungen für Moderne Kunst. Seit 1975 wird er jährlich an einen bedeutenden zeitgenössischen Künstler verliehen. Wer ihn bekommt, kann sich eines gewissen Stellenwerts in der Kunstgeschichte sicher sein. Der Fotograf Wolfgang Tillmans (Jg. 1968) zeigte sich erfreut, als er die Nachricht erhielt. Er wird die Auszeichnung am 28. September in Goslar entgegennehmen.
Der 49-Jährige habe ein dichtes, vielschichtiges Lebenswerk geschaffen, heißt es in der Begründung der Jury. "Die Analyse des Mediums Fotografie, das Ausloten ihrer Grenzen, sowie das austarieren zwischen Poesie und Ernüchterung machen Wolfgang Tillmans zu einem der bedeutendsten Fotografen unserer Zeit."
Chronist der Popkultur der 90er
Der im bergischen Remscheid geborene Künstler hat am britischen Bournemouth & Poole College of ART and Design Kunst studiert, und lebt seit 1990 in Großbritannien. London wurde sein Lebensmittelpunkt, dort hat er sich in den 1990er Jahren auch zum Chronist der Techno-Szene, der Musik-Clubs, der jährlichen Love-Parade und der Gay-Szene entwickelt. Außergewöhnliche, schrille Aktaufnahmen machten ihn schnell international bekannt.
Heute gehören zu Tillmans Genres auch ruhigere Arbeiten: Stillleben, viel Abstraktes, Stoffbilder, Landschafts- und Himmelaufnahmen. Außerdem dreht er Musikvideos, produziert Musik und ist als DJ unterwegs. Das britische Kunstmagazin "ArtReview" platzierte ihn beim jährlichen Ranking der wichtigsten internationalen Künstler in diesem Jahr auf Platz 11, die deutsche Zeitschrift "Monopol" setzte ihn sogar auf Platz 3.
Blick für das Außergewöhnliche
Im Jahr 2000 erhielt Tillmans als erster Ausländer und auch als erster Fotograf den renommierten Turner Prize, der als Oscar der Kunstszene gilt. Seine Fotoarbeiten, oft nur ein Tintenstrahldruck, werden im Kunsthandel inzwischen hoch gehandelt und sind bei Sammlern sehr begehrt. 2013 erzielte eine Arbeit aus seiner "Freischwimmer"-Serie bei einer Auktion 200.000 US-Dollar (etwa 170.000 Euro). Tillmans Werke waren schon in allen großen Museen zu sehen.
Als Fotokünstler ist er viel auf Reisen, fotografiert in Nordafrika, Feuerland, Papua-Neuguinea und Saudi-Arabien. 2008 machte er mit Aufnahmen von Flüchtlingen auf der Insel Lampedusa auf sich aufmerksam. Seine Fotoarbeiten passen in keine kunsthistorische Rubrik. Auf den ersten Blick wirken sie wie Schnappschüsse, fast zufällig, erst bei näherem Betrachten erkennt man das künstlerische Arrangement.
Heute lebt und arbeitet Wolfgang Tillmans zeitweise wieder in Deutschland und wohnt neben London mittlerweile auch in Berlin. Seit 2012 ist er Mitglied in der Sektion Bildende Kunst der Berliner Akademie der Künste. Nach dem AIDS-Tod seines Lebenspartners erfuhr Tillmans, dass er HIV-positiv ist. 2015 machte er seine Krankheit publik.
hm/bb (dpa/ www.munzinger.de)