Hu geißelt Korruption in China
8. November 2012Der Kampf gegen die Korruption in China ist nach Ansicht des scheidenden Staats- und Parteichefs Hu Jintao eine Überlebensfrage für Partei und Staat. Nach den jüngsten Skandalen unter chinesischen Spitzenpolitikern warnte Hu zur Eröffnung des 18. Parteikongresses in Peking: "Wenn wir nicht richtig mit diesem Problem umgehen, könnte es sich für die Partei als fatal erweisen und sogar den Zusammenbruch von Partei und Staat auslösen." Zum Abschluss des einwöchigen Parteitages wollen die rund 2300 Delegierten einen Generationswechsel in der Führung billigen.
An der Spitze der "fünften Führungsgeneration" soll der heutige Vizepräsident Xi Jinping (59) den 69-jährigen Hu Jintao nach zehn Jahren im Amt ablösen. In seiner letzten großen Rede als Parteichef ging Hu nicht konkret auf den Sturz des Politbüromitglieds Bo Xilai und den ebenfalls wegen Korruption und Amtsmissbrauchs entlassenen Eisenbahnminister Liu Zhijun ein. Er betonte aber, das Volk schenke dem Kampf gegen Korruption und der politischen Integrität seiner Führer große Aufmerksamkeit.
Gegen Reformen nach westlichem Vorbild
In seiner eineinhalbstündigen Rede verteidigte Hu sein politisches Erbe gegen Kritiker, die mangelnde politische und wirtschaftliche Reformen oder sogar ein "verlorenes Jahrzehnt" in seiner Amtszeit beklagt hatten. China sei in den vergangenen zehn Jahren zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufgestiegen und habe historische Erfolge errungen. Das Land stehe "sowohl vor beispiellosen Möglichkeiten für seine Entwicklung als auch bislang unbekannten Risiken und Herausforderungen". Zugleich erteilte Hu demokratischen Reformen nach westlichen Vorbildern eine klare Absage: Wir werden niemals ein westliches politisches System kopieren."
Nach Jahren blinden und häufig verschwenderischen Wachstums rief Hu dazu auf, die Wirtschaftsentwicklung ausgeglichener und nachhaltiger zu machen. Als Konsequenz aus der Weltwirtschaftskrise und seinem langsameren Wachstum müsse China die Wende zu einem neuen - weniger auf Export und Investitionen gestützten - Wachstumsmodell beschleunigen. Dafür sollte die heimische Nachfrage angekurbelt werden.
Verdoppelung der Einkommen bis 2020 versprochen
Wegen des Rückgangs der Nachfrage durch die krisengeplagten Europäer und Amerikaner hat sich das Wachstum in China in diesem Jahr von durchschnittlich rund zehn Prozent in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf 7,4 Prozent im dritten Quartal verlangsamt. Trotz der schwächeren Konjunktur versprach Hu den Chinesen eine Verdoppelung ihrer Einkommen bis 2020. Auch Chinas gesamte Wirtschaftsleistung solle sich bis dahin verdoppeln. Es sei das erste Mal, dass die Partei konkrete Ziele für Wachstum und Einkommen genannt habe, hob die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua hervor.
In seiner Rede bekräftigte Hu auch die chinesischen Ambitionen, die Streitkräfte auszubauen. Vor allem die Marine soll modernisiert werden. Nach Einschätzung von US-Experten könnte die Volksrepublik seine U-Boote innerhalb von zwei Jahren mit Atomraketen ausrüsten. Die Volksrepublik sei dabei, ein dauerhaftes Abschreckungspotenzial auch auf See aufzubauen, heißt es in einem Entwurf eines Expertenberichtes für den US-Kongress, der der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Die Forscher empfehlen den US-Abgeordneten, Vorschlägen für eine einseitige atomare Abrüstung der USA mit Vorsicht zu begegnen.
Der Parteitag, der alle fünf Jahre stattfindet, ist formal oberstes Führungsorgan der chinesischen KP mit ihren 82 Millionen Mitgliedern. In den nächsten sieben Tagen werden die rund 200 Mitglieder des Zentralkomitees bestimmt. Darüber stehen das 25-köpfige Politbüro und dessen neun Mitglieder zählender Ständiger Ausschuss, das eigentliche Machtzentrum Chinas.
Erneut Selbstverbrennungen in Tibet
Am Vorabend des Parteitages der chinesischen Kommunisten hatten sich aus Protest gegen die Pekinger Herrschaft in ihrem Land mehrere Menschen selbst verbrannt. Eine Sprecherin der tibetischen Exilregierung im indischen Dharamsala sagte, dabei handele es sich um drei Mönche und eine Frau aus der Region. Berichte über einen fünften Fall würden noch geprüft.
Radio Free Asia sprach von fünf Selbstverbrennungen. Zwei der Opfer seien ihren Verletzungen erlegen, darunter eine junge Mutter. Die Selbstverbrennungen seien "ein Appell an die internationale Gemeinschaft, an die chinesische Regierung und an das chinesische Volk, ihren Hilferuf zu hören", sagte die Sprecherin.
Seit Februar 2009 haben sich mehr als 60 Tibeter aus Protest selbst in Brand gesetzt, die meisten davon Mönche und Nonnen. Die Tibeter werfen der Führung in Peking vor, sie sozial und wirtschaftlich zu benachteiligen und ihre Kultur und Traditionen in ihrer Heimat zu zerstören. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe zurück und verweist auf ihre Bemühungen zur wirtschaftlichen Entwicklung der dünn besiedelten Bergregion.
sti/re/hp/kle (dpa, rtr, afp, dapd)