'Ich halte die Position von Lieberman für falsch'
7. Mai 2009DW-WORLD.DE: Herr Brok, ist es nicht scheinheilig den neuen israelischen Außenminister einerseits keine Bühne geben zu wollen, aber ihn andererseits unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu empfangen?
Er ist der Außenminister eines Landes, mit dem wir enge Verbindungen pflegen und für das wir Verantwortung tragen. Die Ebene ist schon richtig: Er ist der Außenminister und hat Kontakte mit den Außenministern, nicht den Regierungschefs. Dafür wäre Ministerpräsident Netanjahu verantwortlich.
Aber ganz unproblematisch ist der Besuch Liebermans nicht, denn er steht ja für eine Politikrichtung, die mit der Haltung Deutschlands zu Israel und zum Nahostkonflikt nicht unter einen Hut zu bringen ist.
Ich halte die Politik des heutigen israelischen Außenministers für falsch. Und ich halte die Politik einer Zwei-Staaten-Lösung für richtig, die sich für einen Palästinenserstaat und Sicherheit und Existenzrecht eines jüdischen Staates Israel einsetzt. Das muss das Ziel sein und das ist die einzige Friedenschance und hier vertritt Außenminister Lieberman eine völlig falsche Position.
Er hat seine Europareise unter das Motto gestellt, "Europa auf die Nahost-Politik der Regierung Netanjahu einzustimmen". Wie geht Europa mit dieser Haltung um, wenn es genau das entgegensetze Ziel bezweckt?
Wir werden sehen müssen wie die Reise Netanjahus zu Obama verläuft und ich kann mir nicht vorstellen, dass die USA und die Europäische Union sich von dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung entfernen werden. Ich hoffe, dass die neue israelische Regierung auf dieses Konzept eingehen wird.
Nun betont Lieberman, er fühle sich nicht an die Beschlüsse von Annapolis gebunden, die ja genau die Position der EU, der Bundesregierung und der USA sind. Bringt die unklare Position der neuen israelischen Regierung die Bundesregierung in die Zwickmühle?
Ja, aber da sind wir alle betroffen - Europa und die Vereinigten Staaten und das Nahost-Quartett, die auf dieses Programm festgelegt sind. Ich hoffe, dass sich die israelische Regierung wieder auf diesen Weg begeben wird, um eine Verhandlungslösung zu finden.
Welche Möglichkeiten hat man denn konkret, auf die israelische Regierung einzuwirken?
Ich kann mir vorstellen dass es für die israelische Regierung, in der schwierigen Lage, in der sie ist, wichtig ist, auf die Solidarität zu setzen, die sie für ihre Sicherheit braucht. Ich denke, dass es genügend innerisraelische Diskussionen geben wird, die zu einer Veränderung der Linie zu führen.
Die EU-Außenkomissarin Benita Ferrero-Waldner hat in der Zeitung Ha'aretz in einem Artikel offen gedroht, die geplante Aufwertung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel auf Eis zu legen. Hat die EU überhaupt eine klare Linie? Sind die Äußerungen von Frau Ferrero-Waldner Konsens in der EU?
Die hervorgehobene Stellung Israels hat natürlich sehr eng mit dem Friedensprozess zu tun, und deshalb stellt Frau Ferrero-Waldner diesen Zusammenhang her.
Steht das Europäische Parlament denn in dieser Form dahinter?
Das Parlament hat die hervorgehobene Stellung Israels bisher abgelehnt, ich persönlich bin da allerdings anderer Meinung. Insofern muss das Parlament seine Haltung nicht verändern. Ich bedauere, dass die Haltung der neuen israelischen Regierung diesen Gegnern einer verbesserten Beziehung zu Israel in die Hände spielt.
Inwiefern wird die EU als Vermittlerin im Nahen Osten im Moment noch ernstgenommen?
Sie wird ernstgenommen, aber die Europäische Union kann nicht alleine vermitteln, so wie die Amerikaner nicht alleine vermittlen können, da muss das Nahost-Quartett verhandeln. Jeder hat ein Stück Glaubwürdigkeit und es macht nur zusammen Sinn. Wir brauchen die Amerikaner, weil ohne die Amerikaner mit Israel nichts geht, und wir brauchen die Europäer, weil die Palästinenser nicht alleine mit den Amerikanern verhandeln werden. Die EU sorgt auch für die Lebensfähigkeit der palästinensischen Gebiete. Und wenn man andere wie zum Beispiel Syrien mit ins Boot holen will, die für eine Friedenslösung notwenig sind, dann geht das nicht ohne Russland. Das muss man im Zusammenhang sehen. Keiner kann es alleine schaffen, weil keiner bei beiden Seiten das notwendige Maß an Glaubwürdigkeit hat und alleine die notwendigen Sicherheitsgarantien schaffen kann.
Welche Erwartungen haben sie denn an den Besuch von Netanjahu in Washington bei Obama?
Ich hoffe, dass er eine Politik erläutern kann, die Obama akzeptieren kann. Aber nach meinen Informationen ist es eine Bedingung, dass die israelische Politik in Richtung der Anereknnung einer Zwei-Staaten-Lösung geht.
Aber danach sieht es ja erklärtermaßen zur Zeit nicht aus.
Nein, aber ich weiß nicht, wie lange eine israelische Politik vorwärts geht, die in einer wesentlichen Frage mit der amerikanischen nicht übereinstimmt.
Elmar Brok ist Europa-Abgeordneter der CDU.
Das Interview führte Miriam Gerke. Redaktion: Sarah Mersch, Diana Hodali