Kanzler Scholz hat auf alles eine Antwort
12. Januar 2022Bundeskanzler Olaf Scholz kennt das parlamentarische Ritual der Fragestunde. Als der SPD-Politiker noch Bundesfinanzminister war, hat er den Abgeordneten mehrfach Rede und Antwort gestanden. Aber nun ist Scholz Regierungschef und die Erwartungen liegen weitaus höher. Zumal er zum Amtsantritt vor fünf Wochen viel versprochen hat. Aufbruch und Fortschritt hat er seiner Regierung aus SPD, Grünen und FDP auf die Fahnen geschrieben, die Bekämpfung der Corona-Pandemie zur Chefsache erklärt, sich ausdrücklich für eine Impfpflicht ausgesprochen.
Das sei allerdings seine persönliche Meinung, betonte Scholz in der Fragestunde immer wieder. Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung wird es nicht geben, die Regierung überlässt die Debatte und die Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht ganz den Abgeordneten. Sie sollen sich in Gruppen zusammenfinden und Gesetzesanträge fraktionsübergreifend stellen. Je nachdem, welche Meinung sie vertreten. Nur so könne die aufgeheizte politische Diskussion befriedet werden, so Scholz.
Von der Regierung gibt es nur Beratung
Die Opposition will das nicht einfach hinnehmen. "Ich erwarte, dass die Bundesregierung konkrete Vorbereitungen getroffen hat, dass sie im Kabinett diskutieren, welche Altersgruppen hier in Betracht kommen, wie sie die Impfpflicht ausgestalten wollen, wie sie das durchsetzen wollen, und ich möchte diese Informationen von Ihnen heute hier haben", forderte Günter Krings, CDU-Abgeordneter, von Olaf Scholz.
Der Gesundheits- und der Justizminister stünden bereit, um das Parlament bei "seinen eigenen Vorschlägen" zu beraten, antwortet der Kanzler, der sich zu keiner Zeit der Fragestunde aus der Ruhe bringen ließ, sondern stets sachlich und in der ihm eigenen, manchmal etwas technokratischen Art antwortete.
Impfpflicht nur für Erwachsene
"Ich glaube, dass es richtig wäre, sich an alle über 18-Jährigen zu richten und ich glaube, dass es richtig wäre, eine möglichst unbürokratische Lösung zu finden, die nicht bis in die letzte Verästelung sich ausdenkt, wie man das alles macht", sagte Scholz. Aber auch das sei seine persönliche Meinung, betonte er. Zur Organisation gehöre, "dass klar ist, hier ist eine Pflicht". Als Bürger müsse man sich "auch an Regeln halten, die nicht jeder gleich einsieht".
Mit Regeln hat im Parlament einmal mehr die in Teilen rechtsextreme AfD ein Problem. Die Fraktion lehnt die verschärften Corona-Maßnahmen ab, wonach ungeimpfte Abgeordnete nicht mehr im Plenum Platz nehmen dürfen. Frisch negativ getestet dürfen sie aber auf die Besuchertribüne. Von dort meldete sich in der Fragestunde ein AfD-Abgeordneter und wollte vom Bundeskanzler wissen, wie viele Fälle schwerer Nebenwirkungen der Corona-Impfungen bislang in Deutschland registriert worden seien.
"Komische Diskussion"
"Schönen Dank für Ihre Frage, aber nicht für die Intention, die dahinter steckt", antwortete Scholz. "Sie verwirren die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes." Milliarden Menschen auf der ganzen Welt seien geimpft worden und auch eine Mehrheit in Deutschland. "Es ist etwas, das sehr gut gegangen ist." Natürlich gebe es Nebenwirkungen, darüber sei aber immer informiert worden. "Darum teile ich Ihre komische Diskussion nicht. Ich glaube, das Beste, was man tun kann, ist, sich impfen zu lassen."
Doch nicht nur die Corona-Pandemie wurde in der Fragestunde angesprochen, es ging auch um viele andere Themen - von der großen Außenpolitik bis hin zu lokalen Problemen wie der anstehenden Sanierung einer maroden Autobahnbrücke im nordrhein-westfälischen Sauerland. "Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns in der Regierung darüber schon konkret unterhalten haben", konnte Scholz dazu mitteilen.
Normandie-Format wieder beleben
"Sehr, sehr" besorgt äußerte sich der Bundeskanzler auf die Frage, was Deutschland unternehme, um die angespannte Lage an der russisch-ukrainischen Grenze zu befrieden. "Das ist eine ernste Bedrohung der Sicherheit in Europa."
Gut sei, dass Gesprächskanäle mit Russland, wie der Nato-Russland-Rat und der Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wieder genutzt würden. Die Bundesregierung werde aktiv dafür sorgen, dass auch die Gespräche im sogenannten Normandie-Format, also mit Deutschland, Frankreich, der Ukraine und Russland wieder in Gang kämen.
Russland habe 2014 mit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim eine Grundkonstante verletzt. Man müsse wieder dazu zurückkehren, "dass Grenzen in Europa nicht mehr verschoben werden".
Atomkraft, nein danke
Natürlich war auch die Klimapolitik der neuen Regierung ein Thema in der Kanzlerbefragung. Olaf Scholz bekräftigte, dass es beim endgültigen Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft bleiben soll. "Die Nutzung der Kernenergie ist nicht nachhaltig und sie ist auch wirtschaftlich nicht sinnvoll", sagte er auf eine Frage von AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla, der den Ausstieg kritisierte und von einem deutschen Sonderweg sprach.
Es seien "erhebliche Investitionen für neue Kernkraftwerke notwendig", die Entsorgungsfrage "und unverändert auch die Sicherheitsfrage" seien weiterhin ungeklärt, begründete Scholz seine Haltung. Die Regierung werde stattdessen die erneuerbaren Energien "massiv ausbauen".Dies sei eine Entscheidung, "die uns international unabhängig macht, die dem Klima dient und die am Ende die billigste sein wird und unserer Wirtschaft dann einen Wettbewerbsvorteil schafft".
Energieversorgung sicherstellen
Allerdings gehe es nicht nur darum, Ersatz für die abzuschaltenden Atom- und Kohlekraftwerke zu schaffen, sondern auch für den zusätzlichen Strombedarf durch den Umbau der Industrie. "Klimaneutrales Wirtschaften wird nur gelingen, wenn wir sehr viel mehr Strom einsetzen als heute", betonte Scholz auf eine Frage der Grünen-Abgeordneten Katrin Uhlig.
Planungs- und Genehmigungsverfahren würden so beschleunigt, "dass wir es schaffen, aus erneuerbaren Energien aus Windkraft auf hoher See, Windkraft an Land, aus Solarenergie, aus Biomasse die Energieversorgung Deutschlands sicherzustellen." Gleichzeitig werde die Wasserstofftechnologie weiter ausgebaut. "Auch das werden wir entsprechend auf den Weg bringen müssen."
Kanzlerbefragung: Dreimal pro Jahr
Am Ende der auf 65 Minuten begrenzten Kanzlerbefragung, die Olaf Scholz stehend auf seinem Platz an der Regierungsbank absolvierte, lächelte der 63-Jährige und schien mit dem Verlauf zufrieden. Dreimal pro Jahr muss er sich der Fragestunde im Bundestag stellen, die seit 2019 zum parlamentarischen Ritual gehört. In der Regel findet sie vor Ostern, vor der Sommerpause und vor Weihnachten statt. Doch da war der gerade frisch gebackene Kanzler zum Antrittsbesuch im Ausland.