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Unruhe in der Eurozone

Emma Wallis / db12. Dezember 2012

Ministerpräsident Mario Monti kündigt seinen Rücktritt an, Silvio Berlusconi schmiedet Comeback-Pläne - wird Italien damit zum Sprengsatz, der die Eurozone in die Luft jagt?

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Berlusconi Foto:Luca Bruno, File/AP/dapd)
Bild: dapd

Viel braucht es heutzutage nicht, um die Finanzmärkte zu verunsichern. Die Rücktrittsankündigung von Italiens Ministerpräsident Mario Monti nach einem Vertrauensverlust seiner Regierung reichte, um die Märkte in Unruhe zu versetzen.

Die Rezession hat das hochverschuldete Land fest im Griff und laut neuester Zahlen ist keine Erholung in Sicht, ganz im Gegenteil. Im Oktober sank die Industrieproduktion des Landes im Vergleich zum Vormonat um ein Prozent. Am Montagvormittag wurde an drei italienischen Banken - Monte Paschi di Siena, UBI und Banca Popolare di Milano - der Handel der Bankaktien vorübergehend gestoppt nachdem ihre Aktien um fünf Prozent gefallen waren.

Die italienischen Großbanken Unicredit und Intesa Sanpaolo sind angeblich "tief in den roten Zahlen." Italiens führende italiensche Finanzzeitung, Il Sole 24 Ore, machte mit düsteren Schlagzeilen auf.

Politische Unsicherheit

Auf der Website der Zeitung kommentiert Morya Longo die Situation. Die größten Risiken kämen erst nach der nächsten Wahl, so der Analyst in einem Video, also irgendwann im Februar. Bis dahin sei alles nur Spekulation. Er sehe dennoch, erklärt Longo, "Anzeichen für Optimismus."

Montis Rücktritt sei keine Überraschung, meint Longo: man habe immer mit einer Übergangregierung gerechnet. Montis Stabilitätsprogramm sei auf den Weg gebracht und müsse lediglich "von einer neuen Regierung gebilligt werden um die Märkte ruhig zu halten."

Ruhige Märkte hatte wohl auch Außenminister Guido Westerwelle im Sinn. "Italien darf jetzt auf zwei Dritteln des Reformprozesses nicht stehen bleiben", sagte Westerwelle auf "Spiegel-Online". Und warnte vor einem Reformstopp in Italien der zu "Turbulenzen in ganz Europa" führen könne.

Italiens Staatsanleihen sind zum größten Teil in italienischer Hand, meint Longo weiter, ganz anders als noch vor 18 Monaten, und daher sei die Situation potentiell berechenbarer.

Mario Monti REUTERS/Eric Gaillard
Jetzt umwerben Italiens Parteien MontiBild: Reuters

Allerdings prognostizierte der Analyst Unruhe auf den Märkten nach möglichen Wahlen in Februar. Wenn die stärkste Partei dann keine große Mehrheit besitzt, könnte der Sparkurs der vergangenen 11 Monate umsonst gewesen sein. Das sei der "wirkliche Test für die Märkte."

Erneute Kandidatur?

Silvio Berlusconi ist der italienische König des Comebacks, dennoch ist der Glaube an eine Wiederwahl nicht sehr verbreitet. Sein "Relaunch" bei einem Fußballspiel am Samstag erinnerte an seinen ersten Ausflug in die italienische Politik mit der Gründung der Forza Italia 1994. Regierungschef war "Il Cavaliere" von 1994 bis Januar 1995, dann von 2001 bis 2006; 2008 wurde er trotz aller Skandale erneut zum Ministerpräsidenten gewählt.

Dieses Mal, erklärte er der wartenden Presse, sei er dabei "um zu gewinnen" - nahezu unmöglich, sagt James Walston von der American University in Rom.

Jüngsten Meinungsumfragen zufolge würde Berlusconi wohl nicht mehr als 15 Prozent der Stimmen bekommen. Aber da es selten starke Mehrheiten in Italien gibt, würde sogar Pierluigi Bersani, der Spitzenkandidat der linksbürgerlichen Demokratischen Partei (PD), auf nicht mehr als doppelt so viele Stimmen kommen - weit entfernt von einer stabilen Regierungsmehrheit. Andrerseits könnte ihm, dem Anti-Europäer, die Unbeliebtheit der Sparmaßnahmen auch mehr Stimmen als erwartet einbringen; noch ein Grund zur Sorge für Europas Regierungschefs.

Dann gibt es noch die vom Starkomiker und Politaktivisten Beppe Grillo angeführte Protestbewegung "Movimento 5 Stelle", die bei den nächsten Wahlen 20 Prozent einfahren könnten. Grillo ist "anti-politisch", meint der Kölner Kirchenhistoriker Rudolf Lill. Sollte er aber in den Wahlen gut dastehen, erklärte Lill der Deutschen Welle, könnte er der Regierung das Leben schwermachen.

Beppe Grillo,(Foto:Massimo Pinca, FILE/AP/dapd)
Nicht zu unterschätzen ist Beppe Grillos ProtestbewegungBild: AP

Italien - ein Sprengsatz

Italien befindet sich mehr als jemals zuvor in einer Krise. Wie das italienische Statistikamt Istat in Rom mitteilte, beträgt der Anteil armutsgefährdeter Bürger in dem Land 19,6 Prozent. Fast die Hälfte aller italienischen Familien lebt von weniger als 2.000 Euro im Monat, eine Situation, die sich in den letzten zwei Jahren zugespitzt hat.

Monti äußerte sich im Gespräch mit der Zeitung La Repubblica "sehr besorgt" über die Zukunft des Landes. Er warnte, Italien müsse aufpassen, nicht "der Sprengsatz zu werden, der die Eurozone in die Luft jagen kann."

Pfeifen im Wald

Was gut ist für Europa ist nicht unbedingt bei den Italienern beliebt. Montis strenges Sparprogramm hat viele Italiener und Politiker vor den Kopf gestoßen; mögliche Nachfolger im Amt sind vermutlich gut beraten sich zu überlegen, wie weit sie bei den Wählern gehen können, wenn sie ihre Stimme im Wahlkampf haben wollen.

Merkel puppe austerity AFP PHOTO / FILIPPO MONTEFORTE (/Getty Images)
Was gut ist für Europa ist noch lange nicht in Italien beliebtBild: Filippo Monteforte/AFP/Getty Images

PD Senator Stefano Ceccanti sagte im Gespräch mit der Tageszeitung "Corriere della Sera", eine Verbindung mit Monti könne für seine Partei von Vorteil sein. Mit Monti und der PD könnte "Bersani Premierminister und Monti Präsident werden." Eine große Koalition mit der PD und Monti könnte für Europa attraktiv sein, meint auch der Ex-PD-Vorsitzende Walter Veltroni.

Letztendlich entscheidet jedoch das italienische Volk.

Selbst wenn Berlusconi verliert, warnt allerdings Walston "verfügt er doch über genug Anziehungskraft und Kapital um das Leben des Wahlgewinners sehr schwer zu machen; er wird versuchen, jede Koalitionsregierung Bersanis, egal welcher Zusammensetzung, zu spalten."

Finanzmärkte und die Italiener selbst werden genau beobachten, wer in den kommenden Monaten die überzeugendsten Konzepte hat, um die Stabilität der Märkte zu wahren.