Köln erinnert an Stadtarchiv-Einsturz
3. März 2019Um genau 13:58 Uhr läuten an diesem Karnevalssonntag alle Kirchenglocken der Kölner Südstadt. Die Formation der Kölner Schulen und Stadtviertel-Organisationen, die "Schull- un Veedelszöch halten inne, um an die Opfer des Stadtarchiv-Einsturzes vor zehn Jahren zu erinnern. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker legt am Unglücksort einen Kranz nieder. Auch heute noch sitzen "das Entsetzen, die Trauer und die Fassungslosigkeit, dass so etwas passieren konnte, tief", sagt Reker.
Um genau 13:58 Uhr war am 3. März 2009 das Kölner Stadtarchiv in sich zusammengesackt und hatte zwei Nachbarhäuser mitgerissen. Zwei junge Männer starben, 27 Regalkilometer Archivmaterial aus rund 1.000 Jahren Stadt-, Regional- und Kirchengeschichte versanken in Trümmern, Staub und Grundwasser. Der finanzielle Schaden geht in die Milliarden, der kulturelle ist unermesslich.
Fataler Baufehler
Die Ursache für das Unglück war laut gerichtlichen Gutachtern ein Baufehler beim U-Bahn-Bau. Ein nicht entfernter Gesteinsblock führte zu einer Undichtigkeit in einer unterirdischen Schlitzwand, die Grundwasser abhalten sollte. Durch dieses Loch drängten Erde, Kies und Wasser, wodurch das sechsstöckige Archivgebäude unterhöhlt wurde und in sich zusammensackte.
Das Historische Kölner Stadtarchiv galt bis zu dem Unglück als das bedeutendste Archiv in ganz Deutschland. Es beherbergte wertvolle Dokumente wie die Nobelpreisurkunde von Heinrich Böll und alle Kölner Ratsprotokolle seit dem Mittelalter. 95 Prozent der verschütteten Archivalien konnten zwar geborgen werden - allerdings teils stark beschädigt. Zwar wurden zwar mittlerweile rund 15 Prozent der Archivalien trockengereinigt. Davon ist rund die Hälfte davon ist komplett wiederhergestellt.
Komplexe juristische Aufarbeitung
Doch der Restaurierungsbedarf ist nach wie vor gigantisch: Rund drei Jahrzehnte wird es dauern, bis die Urkunden, Akten und Nachlässe, Sammlungen und Originale - unter anderen von Persönlichkeiten wie Albertus Magnus, Jacques Offenbach, Giuseppe Verdi, Karl Marx oder Konrad Adenauer - restauriert sein werden.
Neben der Wiederherstellung der Akten stellt sich auch die juristische Aufarbeitung komplex dar. Für die umfangreichen Ermittlungen wurde eigens ein Besichtigungsbauwerk errichtet. Insgesamt acht Personen kamen auf die Anklagebank. Drei von ihnen wurden freigesprochen, ein Beschuldigter verstarb. Gegen zwei weitere Personen ließ das Gericht die Anklage aus gesundheitlichen Gründen fallen beziehungsweise trennte das Verfahren ab. Vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist erhielten ein Bauüberwacher der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) und ein Polier in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung Bewährungsstrafen von acht und zwölf Monaten.
Eröffnung des Archiv-Neubaus 2020
Nicht weniger einfach wird es für die Stadt Köln, Ansprüche auf Schadenersatz durchzusetzen. Dazu sind zwei Beweisverfahren anhängig. Der Gesamtschaden wird mittlerweile mit rund 1,3 Milliarden Euro angegeben.
Derzeit entsteht in Köln ein Archiv-Neubau, der rund 50 Regalkilometer fast doppelt so groß sein. Die Eröffnung des 80-Millionen-Euro-Bauwerks ist für das kommende Jahr geplant.
cw/rb (dpa, kna)