Kadima gewinnt Wahlen in Israel vor Arbeitspartei
29. März 2006"Israel will die Kadima!", rief Olmert in der Nacht zum Mittwoch (29.03.06), als er sich zum Sieger erklärte. Er wiederholte seine Absicht, notfalls ohne Abstimmung mit den Palästinensern die endgültigen Grenzen Israels festzulegen.
Der Vorsprung der von Regierungschef Ariel Scharon gegründeten Partei fiel bei einer schwachen Wahlbeteiligung jedoch geringer aus als erwartet. Damit dürfte die Bildung einer Koalition in der Knesset schwieriger werden als vorhergesehen. - Die Wahlbeteiligung erreichte mit 63,2 Prozent einen neuen historischen Tiefstand.
Sitzverteilung
Amtlichen Ergebnissen zufolge lag die Kadima nach der Auszählung fast aller Stimmen mit 28 Sitzen vor einem möglichen Koalitionspartner, der linken Arbeitspartei, die 20 Sitze erhielt. Die ultraorthodoxe Schas-Partei kommt auf 13, die ultranationalistische Partei Israel Beitenu ("Unser Haus Israel") auf zwölf Sitze. Insgesamt zählt das israelische Parlament, die Knesset, 120 Sitze.
Erst dann folgt auf Platz fünf der rechts-konservative Likud mit elf Sitzen. Für die Partei von Benjamin Netanjahu bedeutet dieses Ergebnis eine bittere Enttäuschung. Bei der Wahl vor drei Jahren war der Likud mit 38 Abgeordneten stärkste Fraktion geworden. Die Kadima hatte sich unter Führung Scharons im November von ihr abgespalten. Netanjahu selbst bezeichnete das Ergebnis der Parlamentswahl als "schweren Schlag".
Die Rentnerpartei Gil ("Alter") erhielt aus dem Stand acht Sitze, der Zusammenschluss der rechtsorientierten Fraktionen NRP/NU ebenfalls. Das Vereinigte Thora-Judentum erhielt sechs, die links-liberale Merez-Partei vier Sitze. Die arabischen Parteien kommen auf zusammen zehn Sitze. Die betont säkulare Partei Schinui ("Veränderung"), bislang drittstärkste Fraktion, scheiterte an der Sperrklausel von zwei Prozent. Schinui, die gegen den starken Einfluss ultraorthodoxer Parteien auf die Gesellschaft in Israel kämpfte, war nach einem internen Streit kurz vor der Wahl auseinandergebrochen. Der Parteivorsitzende Joseph Lapid war zurückgetreten.
Kooperation
Wie die israelische Tageszeitung "Jerusalem Post" in ihrer Internetausgabe berichtete, telefonierte Arbeitspartei-Chef Amir Perez noch in der Nacht zum Mittwoch mit Olmert. Dabei habe er ihm zum Wahlsieg gratuliert. Zugleich sei über erste Gespräche zwischen den Parteichefs sowie über eine mögliche Zusammenarbeit diskutiert worden, hieß es.
"König"
"Ehud, König von Israel!", skandierten Olmerts Anhänger in der Nacht am Wahlhauptquartier in Anlehnung an Rufe, mit denen Scharon begrüßt worden war. Olmert selbst würdigte seinen Mentor, der seit einem Schlaganfall im Januar im Koma liegt. "Kurz bevor er die Verwirklichung seiner Vision hätte miterleben sollen, ließ ihn sein Körper im Stich", sagte er. Scharon hatte den Likud im Streit über den Abzug aus den Palästinenser-Gebieten verlassen und die Kadima gegründet. Wie den Gaza-Streifen soll Israel den Plänen zufolge in weiteren Schritten Siedlungen im Westjordanland aufgeben und damit eine räumliche Trennung von den Palästinensern erreichen.
An Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas gerichtet sagte Olmert, seit nun Tausenden von Jahren strebten die Juden danach, sich im ganzen Land Israel eine Heimat zu schaffen. "Aber unter Anerkennung der Realität und der Umstände sind wir zu Kompromissen bereit." Teile Israels könnten aufgegeben werden, damit die Palästinenser ihren Traum von einem eigenen Staat erfüllen könnten. Sollten sich die Palästinenser jedoch nicht in Richtung Frieden bewegen, würde Israel sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und seine endgültigen Grenzen selbst festlegen. Dies soll Olmert zufolge bis 2010 geschehen.
Hamas
Die Abstimmung in Israel fand am selben Tag statt wie die Bestätigung einer neuen Palästinenser-Regierung durch das palästinensische Parlament. Das neue Kabinett wird von der radikal-islamischen Hamas dominiert, die sich der Vernichtung Israels verschrieben hat. "Während im israelischen Gebilde gewählt wird, werden die Fahnen der Hamas-Regierung gehisst", sagte der designierte Ministerpräsident Ismail Hanija in Gaza-Stadt. Israel hat jede Zusammenarbeit mit der Hamas ausgeschlossen, bis die Gruppe das Existenzrecht Israels anerkennt und sich entwaffnet.
Hanija wies Olmerts Ideen für künftige Grenzen zurück. Hanija sagte: "Meine Regierung lehnt jeglichen einseitigen Plan Israels ab." Eine israelische Regierung, die "nicht die legitimen Rechte der Palästinenser anerkennt, einen eigenen Staat einzurichten, kann niemals Frieden oder eine Lösung des Konflikts in der Region erzielen", sagte Hanija. (mas)