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Ölpest Nigerdelta

9. August 2011

Giftiges Trinkwasser, tote Bäume. Das Geschäft mit dem Öl hat die Umwelt im nigerianischen Ogoniland verpestet. Eine UN-Studie dokumentiert erstmals das Ausmaß der Öl-Katastrophe. Wird endlich aufgeräumt im Niger-Delta?

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Kinder spielen an verschmutztem Fluss in Ogoniland (Foto: DPA)
Verpestete Heimat: Kinder spielen an verschmutztem FlussBild: picture alliance/dpa

Sie schillern lila-gelb-gräulich, wenn die Sonne scheint. Stinkende Ölfilme treiben langsam auf den Wasserläufen, die in den Niger münden. An vielen Ufern liegen schmierige schwarze Klumpen. In Ogoniland, im Südosten Nigerias, zeigt sich die hässliche Fratze des Ölreichtums. Das Siedlungsgebiet ist ungefähr so groß wie Berlin und übersät mit Pipelines und rostigen Bohrtürmen.

Etwa zehn Millionen Fass Öl sollen in den vergangenen 50 Jahren ins Niger-Delta gelaufen sein. Das entspricht jährlich etwa der Menge Öl, die bei der Havarie des Supertankers Exxon Valdez 1989 vor Alaska ausgetreten war. Welche ökologischen Schäden das schwarze Gold hier angerichtet hat, belegt nun erstmals eine Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Die Hauptaussage: Der Kampf gegen die Ölpest könnte Jahrzehnte dauern und die größte Reinigungsaktion der Welt werden.

Schwarzes Gift

Ölfilm auf dem Niger (Foto: DPA)
Vergifteter Fluss: Ölfilm auf dem NigerBild: picture alliance/dpa

"Der Bericht bestätigt, dass die Gesundheit und die Lebensgrundlage der Menschen im Ogoniland gefährdet sind. Obwohl die Öl-Industrie hier nicht mehr aktiv ist, gibt es immer noch viel zu viele Öllecks", sagte Ibrahim Thiaw von UNEP, als er die Studie Anfang August in Nigeria vorstellte. 122 Kilometer Ölleitungen haben die Experten untersucht, mehr als 4.000 Boden-, Wasser- und Luftproben analysiert. Finanziert wurde die Studie vom Öl-Multi Shell, der seit Jahren auf der Anklagebank der Umweltaktivisten sitzt. UNEP findet trotzdem klare Worte: Alle bisherigen Aufräumarbeiten seien unzureichend, denn in vielen Fällen seien nur oberflächliche Umweltschäden beseitigt worden. Die Umwelt habe sich nicht erholt, fasste Thiaw zusammen. Und es könnte noch 25 bis 30 Jahre dauern, schätzen die Experten, bis die Umwelt im Niger-Delta einigermaßen wieder hergestellt ist.

Die Studie bestätigt, was Umweltschützer und Bürgerrechtler schon seit Jahren kritisieren. Doch einige Ergebnisse schockieren selbst Kenner des Öl-Problems. "Dieser Bericht hat wissenschaftlich belegt, dass die Menschen im Niger Delta und im Ogoniland verschmutztes Wasser trinken. Nicht nur das Wasser in den Flüssen und Bächen, auch das Grundwasser ist verpestet", sagt Audrey Gaughran von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. In mindestens zehn Gemeinden ist das Trinkwasser mit Kohlenwasserstoff vergiftet. In einem Dorf haben die Wissenschaftler das krebserregende Gift Benzen im Brunnenwasser gemessen. Die Werte übersteigen den international zulässigen Grenzwert um das 900-fache. Die eigentlich sehr robusten Mangrovenbäume stehen kahl an den Ufern, Fische gibt es in den Flussläufen schon lange nicht mehr.

Schmierige Geschäfte

Umweltaktivist Nnimmo Bassey (Quelle: FoEI/Romel De Vera)
Kämpft gegen die Ölpest: Nnimmo BasseyBild: picture-alliance/dpa

Wer ist schuld an der Ölpest? Der Bericht kritisiert den Konzern Shell und die nigerianische Regierung, die jahrelang zugesehen hätten, wie auslaufendes Öl die Umwelt verpestet. Zwar hatte Shell die Ölförderung 1993 nach Massenprotesten der Ogoni-Bevölkerung eingestellt. Doch das Unternehmen ist maßgeblich an der Shell Petroleum Development Company (SPDC) beteiligt. Das Unternehmen kontrolliert und wartet die Pipelines – viel zu nachlässig, wie Umweltaktivisten kritisieren. "Der Bericht zeigt, dass sich der Öl-Konzern Shell und die nigerianische Regierung nicht an ihre eigenen Mindeststandards gehalten haben. Sie haben weder die Mindeststandards der nigerianischen Regierung noch internationale Standards eingehalten", sagt der nigerianische Umweltschützer Nnimmo Bassey, der mit seiner Naturschutzorganisation "Friends of the Earth" seit Jahren gegen die Öl-Industrie kämpft und 2010 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Auch die nigerianische Regierung müsse endlich regieren, sagt Bassey. Denn die Behörden hätten bei der Kontrolle der Öl-Konzerne völlig versagt.

Shell soll das Delta putzen

Die Schuldigen sollen jetzt tief in den Geldbeutel greifen. UNEP fordert einen Sonderfonds zur Wiederherstellung der Umwelt in Ogoniland. Das Startkapital von einer Milliarde US-Dollar sollen die Öl-Industrie und die nigerianische Regierung zur Verfügung stellen. Shell wollte sich bislang nur schriftlich zu dem UNEP-Bericht äußern. In einem Statement des SPDC-Geschäftsführers Mutiu Sunmonuin hieß es: "Auch wenn wir schon seit 1993 kein Öl mehr in Ogoniland gefördert haben, reinigen wir unabhängig von der Ursache alle Öllachen und stellen den ursprünglichen Zustand der Landflächen wieder her." Gleichzeitig betont der Konzern, die meisten Fälle von Ölpest im Delta gingen auf Diebstahl und Sabotage-Angriffe durch die Bewohner zurück. Es ist kein Geheimnis, dass kriminelle Banden im Niger-Delta immer wieder Leitungen anzapfen oder illegale Raffinerien betreiben. Wie sehr das die Ölpest verschlimmert, ist jedoch unklar.

Ölpipeline in Nigeria (Foto: AP)
Viele Pipelines haben Lecks oder werden illegal angezapftBild: AP

Wann die Aufräumarbeiten beginnen können, hängt auch von der nigerianischen Regierung ab. Präsident Goodluck Jonathan, der selbst aus dem Niger-Delta stammt, gab lediglich ein vages Versprechen. Er wolle mit Shell und anderen Öl-Konzernen beraten. Der Bericht werde nicht in irgendeiner Schublade verschwinden, sagte er. Genau davor haben die Umweltaktivisten Angst. Sie wollen den Druck auf die Regierung erhöhen, damit die endlich handelt und -zumindest für den Anfang - die Öllecks in den rostigen Leitungen stopft.

Autorin: Julia Hahn
Redaktion: Katrin Ogunsade