Kann der Südsudan auf eigenen Beinen stehen?
8. Februar 2011Nein, der Südsudan muss nicht Afrikas nächster "failed state" werden. Kein zweites Somalia und das künftige Afghanistan schon gar nicht. Richtig ist: Der künftige jüngste Staat der Erde trägt schwere Hypotheken für die Zukunft mit sich. Bis zum Friedensvertrag vor sechs Jahren gab es keine staatlichen Strukturen. Der zermürbende Krieg hinterließ eine Bevölkerung, die nur Gewalt und Anarchie kennt, Demokratie hingegen nicht. Fast 90 Prozent der Erwachsenen können weder lesen noch schreiben. Die Lebenserwartung liegt bei etwas über 50 Jahren, die Kindersterblichkeit ist hoch. Rund 300 Ethnien leben im Südsudan und viele haben nichts miteinander gemeinsam. Immer wieder gibt es Gewalt. Alles keine guten Startbedingungen.
Zugleich aber hat sich in den letzten sechs Jahren einiges getan: Aus dem Nichts heraus haben Südsudanesen ein Verwaltungswesen und ein Regierungssystem aufgebaut. Da funktioniert noch lange nicht alles, Berichte über Korruption und Missmanagement gibt es viele. Wer aber einmal gesehen hat, wie engagiert sich so manch ein Lehrer, Krankenpfleger oder Verwaltungsbeamter in seine neue Aufgabe stürzt, der weiß: Es gibt viele, die möchten, dass der neue Staat ein Erfolg wird. Und die sind bereit, dafür einiges zu geben.
Zudem sind nach dem Friedensschluss auch eine Reihe gut ausgebildeter Akademiker aus der Diaspora in ihr Heimatland zurückgekehrt, um sich für den Aufbau ihres neuen Heimatlandes einzusetzen. Natürlich hat der Südsudan noch längst nicht so viele Fachkräfte wie er braucht, aber die Rückkehrer wollen und werden ihren Beitrag für einen lebensfähigen Staat leisten. Und auch viele sogenannte ganz normale Bürger haben eine klare Vorstellung davon, in was für einem Staat sie künftig leben wollen: Einem Staat, der Schulen und Krankenhäuser unterhält und seine Bürger vor Krieg und Gewalt schützt. Das haben sie – zum Beispiel im Wahlkampf vor den Parlamentswahlen 2009 - ihren Politikern auch laut und deutlich gesagt. Wichtig ist jetzt, dass die Politiker darauf hören und einen demokratischen Staat aufbauen, in dem Oppositionsparteien und unabhängige Medien ihren Platz haben. Geld für den Aufbau eines solchen Staates sollte ohnehin nicht fehlen, denn ein Großteil des sudanesischen Öls liegt im Süden.
Natürlich: Es gibt keine Garantie, dass der Südsudan ein funktionierender Staat wird. Schon als die ersten afrikanischen Staaten in den sechziger Jahren unabhängig wurden, war der Optimismus groß, und heute stehen viele schlechter da als damals. Aber wer den neuen Sudan jetzt schon abschreibt, der tut dem Engagement vieler Bürger dort Unrecht. In diesem Sinne: Willkommen neuer Staat Südsudan!
Autor: Daniel Pelz
Redaktion: Katrin Ogunsade