Keine US-Sanktionen gegen Nord Stream 2
19. Mai 2021Die US-Regierung verzichtet offiziell auf Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und ihren deutschen Geschäftsführer Matthias Warnig. In einem Bericht an den US-Kongress schreibt Außenminister Antony Blinken, ein Verzicht auf die Strafmaßnahmen sei "im nationalen Interesse der USA". Sanktionen sollten aber gegen russische Schiffe verhängt werden, die Rohre der Gaspipeline verlegt hätten.
Zuvor hatten bereits die US-Website "Axios" und der Nachrichtensender CNN über das entsprechende Vorhaben von Präsident Joe Biden berichtet. Die USA wollten damit eine Belastung der Beziehungen zu Deutschland vermeiden, hieß es.
Drei Monate Zeit
Außenminister Heiko Maas begrüßte die Entscheidung der US-Regierung. "Das empfinden wir als einen konstruktiven Schritt", sagte er. Nach den Worten von Maas will das US-Außenministerium in der Angelegenheit in drei Monaten wieder an den Kongress berichten. "Wir haben jetzt noch einmal drei Monate, in denen wir Zeit haben, um mit den Verantwortlichen in Washington darüber zu sprechen, wie es weitergehen kann", sagte Maas. Das Projekt sei seiner Meinung nach das einzige, bei dem es fundamentale Differenzen zwischen Berlin und Washington gebe.
Die Nord Stream 2 AG ist eine Tochter des russischen Energieriesen Gazprom. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz ist für Planung, Bau und den späteren Betrieb der Pipeline zuständig, die bereits fast fertiggestellt ist.
Washington ist strikt gegen die 1200 Kilometer lange Ostsee-Röhre, durch die russisches Erdgas nach Deutschland fließen soll. Biden argumentierte bislang wie bereits sein Vorgänger Donald Trump, Deutschland und Europa würden sich damit in eine wachsende Abhängigkeit von Russland begeben und dem Gas-Transitland Ukraine schaden.
Blinken bekräftigte noch am Dienstag in einem Gespräch mit seinem deutschen Kollegen Maas, die US-Regierung lehne die Pipeline ab.
Im März hatte Blinken einen "sofortigen" Stopp des Baus der Pipeline gefordert und andernfalls mit Sanktionen gedroht. "Nord Stream 2 ist ein schlechter Deal - für Deutschland, für die Ukraine und für unsere Verbündeten und Partner in Mittel- und Osteuropa", erklärte der Außenminister damals. "Diese Pipeline ist ein geopolitisches Projekt Russlands, mit dem Europa gespalten und Europas Energiesicherheit geschwächt werden soll."
US-Kongress beschließt Sanktionen
Die US-Regierung hatte im Januar Sanktionen gegen das russische Verlegeschiff "Fortuna" und dessen russische Inhaberfirma KVT-RUS verhängt. 2019 beschloss der Kongress in Washington grundsätzlich Sanktionen gegen den Bau der Pipeline und weitete dies im folgenden Jahr nochmals aus. Für die konkrete Umsetzung und die Benennung von Unternehmen, die mit Sanktionen belegt werden, ist dann die Regierung zuständig. Nord Stream 2 wird im Kongress parteiübergreifend kritisch gesehen.
Republikaner sind sauer
Die oppositionellen Republikaner kritisierten die Biden-Regierung am Dienstag nach den Medienberichten zu einem Verzicht auf Sanktionen scharf. "Unfassbar. Unter Missachtung von US-Recht hilft Biden (dem russischen Präsidenten Wladimir) Putin aktiv, seine Pipeline zu bauen", schrieb der konservative Senator Ted Cruz auf Twitter. "Die Biden-Regierung entwickelt sich zu der Russland-freundlichsten Regierung der modernen Ära."
Der republikanische Senator Ben Sasse erklärte, vor zwei Monaten habe Biden Putin noch als "Mörder" bezeichnet. "Aber heute will er Putin, dessen Regime und dessen Kumpanen einen riesigen strategischen Hebel in Europa geben."
Biden in der Zwickmühle
Biden steckt wegen Nord Stream 2 innen- wie außenpolitisch in der Zwickmühle: Einerseits will er Russland entschieden entgegentreten und ist auch deswegen gegen die Pipeline. Andererseits will er das Verhältnis zu Deutschland und den anderen westlichen Verbündeten wieder verbessern, nachdem Trump die transatlantischen Partner immer wieder vor den Kopf gestoßen hatte.
Nord Stream 2 ist auch innerhalb der EU umstritten. Die Bundesregierung hält aber an der neun Milliarden Euro teuren Pipeline fest, an der neben Gazprom auch Uniper und Wintershall aus Deutschland, der französische Konzern Engie, der britisch-niederländische Konzern Shell sowie OMV aus Österreich als Finanzinvestoren beteiligt sind.
Nord-Stream-Aufsichtsratschef ist Altkanzler Gerhard Schröder, bei Nord Stream 2 ist er Präsident des Verwaltungsrats.
se/mak/nob/kle (afp, dpa, rtr)