"Klimaziele mit neuem EEG nicht erreichbar"
5. Juli 2016Deutsche Welle: Frau Scheer, das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) soll reformiert werden. Bisher hat das EEG den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ermöglicht und wurde weltweit kopiert. Jetzt soll es stark verändert werden. Was sind die wesentlichen Veränderungen?
Nina Scheer: Das Fördersystem soll auf Ausschreibungen umgestellt werden, die der Menge nach gesteuert werden können. Bisher gab es keine der Menge nach begrenzte Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energien. Die Vergütung ist bisher gesetzlich geregelt. Zukünftig soll die Menge der Stromerzeugung für die einzelnen Technologien festgelegt und über Gebotsverfahren vergeben werden. Die Förderhöhe, das heißt der Preis für diesen Strom, wird damit im Zuge von Ausschreibungen ermittelt.
Was sind die Folgen dieser Veränderungen?
Die Veränderungen liegen sowohl bei der Mengensteuerung als auch der Frage der Beteiligten, also wer an Ausschreibungen teilnehmen wird und die Zuschläge bekommt.
Der Gesetzentwurf enthält zwar Kriterien, die auch kleineren Akteuren eine Teilnahme ermöglichen sollen. Es ist aber die Frage, inwieweit das in der Umsetzung greift und auch, wie viele Projekte aus den Gebotsverfahren letztlich umgesetzt werden.
Für die Akzeptanz und eine breit getragene Energiewende ist es wichtig, dass sich die Menschen vor Ort sowie die Kommunen beteiligen können und die Energiewende mitgestalten können. Das ist das bisherige Erfolgsrezept der Energiewende.
Im Rahmen der vergangenen Pilotausschreibungen wurden bisher noch relativ wenige Projekte realisiert. Zwar gab es auch kleinere Akteure unter den Bietern, aber im Vergleich zur bisherigen Entwicklung und dem alten System verhältnismäßig wenig.
Wie bewerten Sie das ganze?
Ich hoffe natürlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin gut fortgesetzt wird. Aber ich befürchte, dass das nicht eintritt. Diesbezüglich gibt es internationale Erfahrungen. Meistens führte das System der Ausschreibung dazu, dass sich nur noch die größeren Akteure an dem Verfahren beteiligten. Auch wurden größere Mengen aus den erteilten Zuschlägen im Endeffekt nicht realisiert.
Das hat damit zu tun, dass bei einem Bieterverfahren eher der zum Zuge kommt, der möglichst niedrig bietet. Hinterher ist dann immer die Frage, ob man es zu diesem Preis auch ausbauen kann.
Aus diesem Grund habe ich früh dafür plädiert, zunächst vollständige Erprobungsverfahren durchzuführen: Das Ausschreibungsinstrument sollte sich zunächst bewähren, bevor man eine Umstellung in dieser Form vornimmt. So sieht es im Übrigen auch der Koalitionsvertrag vor. Das erfolgreiche Instrument der Einspeisevergütung sollte ohne den Beweis, dass die Energiewendeziele mit Ausschreibungen besser erzielt werden können, nicht leichtfertig aufgegeben werden.
Auf der Klimakonferenz in Paris wurde das Ziel formuliert, dass die Erderwärmung möglichst unter 1,5 Grad bleiben soll. Sind mit dem jetzt geplanten jährlichen Zubau von Wind- und Solarkraft diese Klimaziele in Deutschland zu erreichen?
Nach vorliegenden Berechnungen sind die Ziele so nicht zu erreichen. Vor dem Hintergrund der Klimaschutzvereinbarungen in Paris müssen wir unsere Ausbauziele für Erneuerbare Energien neu definieren und nicht als fixe Obergrenzen sehen, erst recht nicht mit Blick auf die Sektoren Wärme und Mobilität. Das erfordert aber einen gemeinsamen Willen in der Koalition. Mit Blick auf unseren Koalitionspartner CDU/CSU erfordert dies zuallererst, nicht weiter auf eine noch weitergehende Reduzierung des Ausbaus Erneuerbarer Energien zu drängen.
Wir müssen erkennen, dass wir weltweit eine Vorreiterfunktion einnehmen. Auch haben wir viele innovative Technologien und Entwicklungen, die wir prima weiter exportieren können. Eine Begrenzung des Ausbaus gefährdet diese Entwicklung. Das ist kontraproduktiv.
Am Ende dieser Woche soll das EEG im Bundestag verabschiedet werden. Was sollte sich jetzt Ihrer Meinung nach noch ändern?
Jede Änderung für mehr Akteursvielfalt und für sektorübergreifenden Ausbau, also auch die Einbeziehung des Wärme- und Mobilitätsbereichs, sowie für mehr erneuerbare Energien, ist hilfreich.
Wenn das Gesetz so bleibt wie es bisher angedacht ist, wie werden Sie am Ende der Woche abstimmen?
Mein Abstimmungsverhalten erkläre ich grundsätzlich immer erst nach Abschluss eines Verfahrens.
Die Umwelt- und Energieexpertin Nina Scheer ist SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie. Nach der Abstimmung im Bundestag teilte Nina Scheer in einer umfassenden Erklärung mit, dass sie gegen die EEG-Novelle gestimmt habe.
Das Interview führte Gero Rueter