Koalition kippt Netzsperren
6. April 2011Löschen statt Sperren soll künftig in Deutschland für Kinderpornografie im Internet gelten. Darauf haben sich die CDU, CSU und FDP im Koalitionsausschuss geeinigt. Verbotene Inhalte sollten durch das Löschen von Seiten bekämpft werden, sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Mittwoch (06.04.2011). Die umstrittenen Netzsperren, die wütende Proteste der Internetgemeinde ausgelöst hatten, sind damit vom Tisch.
Gegner von "Zensursula" erfreut
Die Sperrung von Internetseiten war im Sommer 2009 mit dem sogenannten Zugangserschwerungsgesetz auf Betreiben der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) beschlossen worden. Es sah vor, Seiten mit kinderpornografischen Inhalten mit einem Stoppzeichnen zu versehen. Netzaktivisten hatten das als ineffektiv kritisiert. Sie argumentierten, entsprechende Seiten müssten nicht nur gesperrt, sondern ganz gelöscht werden. Sie befürchteten außerdem den Aufbau einer Zensur-Infrastrukur. Das Gesetz brachte der Ministerin daher in der Netzgemeinde den Spitznamen "Zensursula" ein.
Opposition und Internetaktivisten begrüßten den Kurswechsel der Regierungskoalition. Ein trauriges Kapitel deutscher Rechtsgeschichte sei damit beendet, lobte die Piratenpartei. Die FDP verbuchte den Richtungswechsel als ihren Sieg. "Wir haben uns jetzt durchgesetzt", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner in Berlin. Der Streit zeige, wie wichtig die FDP als Korrektiv in der Koalition sei.
Daten auf Vorrat speichern?
Nicht einig sind sich Union und FDP beim Thema Vorratsdatenspeicherung. Die Liberalen lehnten "die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ohne Wenn und Aber ab", sagte Lindner. Die Union hatte die Vorratsdatenspeicherung seinerzeit in der großen Koalition mit der SPD beschlossen. Doch dann hatte es das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, alle Telefon-, Handy- und Email-Daten ohne Anlass zu speichern.
Nun soll eine Neuregelung her. Der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will so ermöglichen, Telekommunikationsdaten für sechs Monate zu speichern. FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzt dagegen auf das sogenannte "Quick-freeze-Verfahren" ("Schockfrosten"). Die Daten würden dabei grundsätzlich gelöscht, die Strafverfolgungsbehörden können die Löschung aber stoppen, bis ein richterlicher Beschluss vorliegt.
Autor: Dirk Eckert (afp, dapd, epd)
Redaktion: Reinhard Kleber