Interview mit MONUSCO-Chef Kobler
24. Juli 2014DW: Herr Kobler, Sie sind seit einem Jahr UN-Sondergesandter für den Kongo und damit Chef der mit rund 20.000 Soldaten weltgrößten und teuersten UN-Mission. Als Sie angetreten sind, konnten Sie schnell einen Erfolg verbuchen: den militärischen Sieg über die Rebellenbewegung M23, die auch vom Nachbarland Ruanda unterstützt wurde. Jetzt geht es allerdings langsamer voran. Wie kommt das?
Martin Kobler: Wir sind zusammen mit der kongolesischen Armee aktiv und haben weniger spektakulär, aber sehr effektiv auch die ADF-Miliz (Vereinte Demokratische Kräfte und Nationale Armee zur Befreiung Ugandas) zurückgedrängt. Das ist eine islamisch angehauchte Gruppierung mit anti-ugandischer Agenda. Inzwischen sind viele Flüchtlinge in all die Regionen in Nord-Kivu zurückgekehrt, die von der ADF beherrscht wurden. Ich finde, das ist ein Erfolg. Aber ich gebe zu, dass noch viel zu tun ist.
Zum Beispiel beim Kampf gegen die Rebellenmiliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas): Welche Fortschritte haben MONUSCO und die kongolesische Armee denn dabei gemacht?
Im Moment bemühen wir uns, dass sich die FDLR-Kämpfer freiwillig stellen, ihre Waffen abgeben und aus den beiden Kivu-Provinzen, in denen sie aktiv sind, verschwinden. In den Provinzen Nord- und Süd-Kivu gibt es zwei kleine Lager für Ex-Kombattanten. Wenn alle von ihnen aus diesen Lagern und damit aus dem Kampfgebiet weggebracht sind, kommen wieder neue hinein. Das ist unsere Idee - ob sie funktioniert, weiß ich nicht. Aber es ist zumindest ein guter Anfang.
Die bewaffneten Gruppen sind nicht das einzige Problem im Kongo. Die Regierung ist schwach, es gibt auch Unruhen in anderen Provinzen, etwa in der rohstoffreichen Region Katanga. Was da läuft schief?
Das Land ist ja einerseits wahnsinnig reich und andererseits ungeheuer arm mit einem Staatshaushalt von nur neun Milliarden US-Dollar für 75 Millionen Menschen. Ein ganz großes Problem sind die Mineralien, die im Ostkongo gefördert werden, etwa Coltan, Kassiterit und Gold. Da sind die Begehrlichkeiten natürlich sehr groß. Die Mineralien müssen legalisiert werden. Die MONUSCO hat ein Projekt mit Geberländern, um die Minen zu zertifizieren, zu professionalisieren und alles, was verarbeitet wird, legal aus dem Land zu bringen. Daran ist auch die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beteiligt. Militärische Aktionen sind nötig, aber sie werden nicht die Lösung bringen. Es muss gute Regierungsführung geben, Rechtsstaatlichkeit, demokratischen Wandel, Respekt von Menschenrechten. Das sind natürlich langfristig angelegte Projekte, aber es ist wichtig, dass man nicht vergisst, das parallel zu betreiben. Und das tun wir.
In dem Sinne haben Sie kürzlich Kongos Präsidenten, Joseph Kabila, darauf hingewiesen, dass er die Verfassung respektieren müsse. Das heißt auch, dass er sie nicht ändern darf, um 2016 erneut zu kandidieren. Wie hat Herr Kabila reagiert?
Nun ja, das finden manche natürlich nicht gut, unter anderem der Präsident. Er hat öffentlich gesagt, dass sich Ausländer nicht zu sehr in innere Angelegenheiten einmischen sollen. Aber unser Mandat des UN-Sicherheitsrates besagt, dass wir sogenannte "gute Dienste" rund um die Wahlen leisten sollen. Das kann man auf verschiedene Art machen. Ich habe mit runden Tischen angefangen, an denen Vertreter aus Regierung und Opposition sitzen, um auszuloten, wo die Unterschiede zwischen den Positionen sind, um sie letztlich zusammenzuführen. Das bedeutet aber auch, dass man manchmal den Mut haben muss zu sagen, was Sache ist.
Die MONUSCO galt lange als lahme Truppe, die auch mal mit Kriegsverbrechern zusammenarbeitet und bei Massakern tatenlos zusieht. Wie haben Sie es geschafft, das Image zu wandeln?
Es gab vor Kurzem in Süd-Kivu ein Massaker, bei dem wir nicht eingeschritten sind. Wir haben dann die Konsequenzen gezogen: Der Kommandeur wurde ausgetauscht und ich habe mich öffentlich entschuldigt. Man kann nur mit Ehrlichkeit weiterkommen, und ich glaube, dass auch das unser Image verbessert hat. Wir können nicht überall sein, dafür ist das Gebiet zu groß. Aber wir wollen zeigen, dass wir für die Bevölkerung da sind und keine bewaffneten Gruppen dulden, die diese Bevölkerung terrorisieren.
Sie sind im Moment der einzige deutsche UN-Sonderbeauftragte. Würden Sie sich manchmal mehr deutsches Engagement in Afrika wünschen?
Auf jeden Fall, aber auch mehr europäisches Engagement. Deutsches Engagement kann ja auch darin bestehen, dass sich Deutschland an einer Truppe der Europäischen Union beteiligt. Es bedarf dazu aber - und das ist ganz wichtig - eines gesellschaftlichen Konsenses. Ich bin gern bereit daran mitzuarbeiten und gehe, wenn ich in Deutschland bin, sehr oft zu Podiumsdiskussionen zu diesem Thema. Bundespräsident Gauck, Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier haben alle Anfang des Jahres von einem stärkeren Engagement in Afrika gesprochen, davon dass Deutschland auch militärisch Verantwortung wahrnehmen soll. Das ist für uns Deutsche besonders schwierig, weil wir nicht daran gewöhnt und "historisch belastet" sind. Vorher hatten wir eine Politik der Zurückhaltung. Wenn es also einen neuen Konsens in der Gesellschaft gibt, dann würde es mich natürlich freuen, wenn auch Deutschland dabei wäre.
Das Interview führte Dirke Köpp.
Der deutsche Diplomat Martin Kobler ist seit Juli/August 2013 UN-Sonderbeauftragter für die Demokratische Republik Kongo und Chef der Kongo-Blauhelmtruppe MONUSCO (UN-Stabilisierungsmission im Kongo). Zuvor war Martin Kobler unter anderem UN-Sonderbeauftragter für den Irak und stellvertretender Leiter der UN-Mission in Afghanistan sowie Büroleiter des ehemaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer.
Das Gespräch läuft am 03.08.2014 auch als "Interview der Woche" im TV-Programm der DW.