Kolumne: Bauen ist Silber, reden ist Gold
23. April 2017Ein Opernhaus ohne Oper? Das ist wie ein Kanzleramt ohne Kanzlerin. Zumindest in Berlin ist das ein wahrscheinliches Szenario - ich meine jetzt die Oper! - , nachdem sich die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden immer weiter in die Länge zieht.
Deren Chefdirigent Daniel Barenboim hatte schon für das letzte und vorletzte Jahr die Wiedereröffnung seines prestigeträchtigen Musentempels versprochen. Vergeblich. Der jeweilige Eröffnungstermin, immer der 3. Oktober, wurde wenig glanzvoll vertagt. In Fortsetzung des Berliner Evergreens: Baustelle forever!
Das Berliner Lied von der ewigen Baustelle
Der nächste 3. Oktober soll es jetzt aber sein. Unbedingt! Doch ohne die große Opernproduktion, die Barenboim mal wieder angekündigt hatte. Denn plötzlich fällt auf, dass die Bühnentechnik komplex und der Probenbedarf noch enorm ist. Also doch ein Opernhaus ohne Oper. Wie minimalistisch es am Ende bei der Eröffnung auf der Bühne zugehen wird, steht in den Sternen, oder besser im Bühnenhimmel: Duett, Quartett, Nonett, oder darf es etwas mehr sein?
Und das Schlimmste: Nicht nur die Baugeschichte ist eine Blamage, auch die Kommunikation darüber. Dabei weiß die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt doch längst, wie es wirklich geht.
Sie hat sich so etwas Kluges ausgedacht wie die "Berliner Handlungsempfehlung zur Baustellenkommunikation". Ok, man hätte es auch gleich Krisenkommunikation nennen können. Eine clevere Idee angesichts der Anhäufung von Kommunikationsdesastern über schlecht gemanagte Großbaustellen wie den Großflughafen BER, das Pergamonmuseum, die BND-Zentrale oder jetzt die Staatsoper unter den Linden.
Wegweiser für eine Baustellenkommunikation
Die Handlungsempfehlung hätte der rettende Ring sein können für all jene in der Senatsverwaltung, im Bundesbauministerium oder anderweitig Betroffenen, denen das Baustellen-Wasser bis zum Hals steht. Und die der verzweifelten Öffentlichkeit ständig üble Nachrichten von überzogenen Budgets und nicht eingehaltenen Terminen verkaufen müssen.
"Schreckensmeldungen sind auf jeden Fall zu vermeiden", heißt es in dem Senatspapier. Hätte da Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller nicht mal früher reinschauen können?
Überhaupt: Die Handlungsempfehlungen lesen sich wie eine Litanei der verpassten Gelegenheiten. "Realistisch bleiben und keine falschen Erwartungen wecken", heißt es da zum Beispiel. Beim BER ist das ja vorbildlich gelungen.
Nur viermal musste die Eröffnung verschoben werden. Von Oktober 2011 auf Juni 2012. Dann war es das Frühjahr 2013, danach hat die Flughafengesellschaft Abstand genommen, neue Termine anzugeben. Gerüchteweise sollte es mal der Herbst 2016, dann das Frühjahr 2017 sein. Jetzt steht 2018 hoch im Kurs.
Berliner brauchen Baustellenoptimismus
Damit kommen wir zu einer anderen Forderung der Handlungsanleitung: "Positive Ziele kommunizieren!" Etwa: Seid doch froh, dass der Himmel über dem BER flugzeugfrei ist. Denn solange können wir noch den geliebten Flughafen in Tegel anfliegen, der nach der ursprünglichen Planung längst eingemottet sein sollte.
Dass der Erweiterungsbau des Pergamonmuseums erst 2023 fertig wird, wodurch sich Bausumme und Bauzeit locker verdoppeln, ließe sich mit dem Verweis auf die Antike sogar kulturell veredeln. Vorschlag für die Kommunikation: Sagt einfach, dass die alten Griechen auch nicht schneller gebaut hätten. Von Bauverzögerungen bei der Errichtung des Pergamonaltars ist allerdings nichts bekannt.
Oder die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND): Statt 2013 soll der Einzug jetzt wirklich 'schon' im Jahre 2017 sein. Die ursprünglich auf 730 Millionen Euro veranschlagten Baukosten haben inzwischen die Milliardengrenze überschritten. Mein kommunikationstechnischer Tipp geht an die Kanzlerin: Sie könnte daraus im Ringen mit Donald Trump politisches Kapital schlagen. Warum die Millionen nicht in die von Trump geforderte Erhöhung des deutschen Wehretats einrechnen als Cyberwar-Zuschlag. Doch ganz ehrlich: Bisher schreckt der BND-Bau mehr den Steuerzahler als die ausländischen Geheimdienste.
Nicht zu unterschätzen ist allerdings der seelische Beistand, den die Handlungsempfehlung bietet. Dort breiten die Bürokraten in priesterlicher Milde über allen gejagten und verhöhnten Baustellen-Managern schützend die Arme aus, wenn sie weihevoll verheißen: "Gemeinsam können wir erreichen, dass eine Baustelle zwar eine notwendige, aber durchaus beherrschbare Herausforderung darstellt."
Amen.