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Das IOC riskiert das höchste Gut

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
15. Dezember 2016

Die WADA deckt ein riesiges, staatlich gedecktes Doping-System in Russland auf. Und was macht das IOC? Thomas Bach schiebt die Verantwortung wieder einmal weiter. Ein fatales Signal, meint DW-Sportredakteur Joscha Weber.

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Russland Doping Thomas Bach
Bild: Reuters/D. Balibouse

Das höchste Gut des Sports ist der faire Wettkampf. Wenn Wettbewerbe nicht unter potentiell gleichen Voraussetzungen für alle Teilnehmer ausgetragen würden, wäre Sport bloß Show. Er wäre vom Schauspiel, einer gespielten Realität, nicht mehr zu unterscheiden. Ein Horrorszenario, denn Sport lebt von einer echten, erlebbaren Spannung, dass eigentlich jeder gewinnen kann. Uns alle fasziniert, wenn an einem guten Tag der Letzte der Bundesliga den Ersten schlägt, auch, weil es zeigt, dass im Sport (fast) alles möglich ist. Aber was ist, wenn der Glaube daran verloren geht?

Bach versteckt sich hinter juristischen Bedenken

Das IOC riskiert momentan genau das. Abgesehen von einem kurzen Video-Statement schwieg der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees zunächst zu den Enthüllungen des zweiten Berichts von WADA-Chefermittler Richard McLaren, der ein Doping-Netzwerk gigantischen Ausmaßes in Russland aufdeckte: Mehr als 1000 dopende Sportler wurden staatlich durch manipulierte Dopingproben "beschützt" und das unter Mithilfe des Geheimdienstes. In einem FAZ-Interview fünf Tage nach der Enthüllung zeigte sich IOC-Präsident Thomas Bach "erschreckt" und gezeichnet von "in Teilen innerer Wut". Leider nimmt man ihm das einfach nicht ab.

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DW-Sportredakteur Joscha Weber: "Mit einem Ausschluss Russland von den Spielen 2018 könnte das IOC viel zerstörtes Vertrauen wieder herstellen."

Denn Bach ist Pragmatiker und Wut, also ein vehementes Verurteilen und ein leidenschaftliches Eintreten für die Werte des Sports, versprüht er ebenso wenig wie Aufbruchsstimmung im Anti-Doping-Kampf. Stattdessen relativiert er den Skandal, versteckt sich bei der Frage von harten Sanktionen hinter juristischen Bedenken und verweist auf zwei neue IOC-Kommissionen, die nun erst einmal prüfen müssen, was die WADA und Ermittler Richard McLaren bereits eingehend geprüft haben. Kurz: Bach wälzt die Verantwortung wie schon in Rio auf andere ab. Ein fatales Signal an alle sauberen Athleten, die er nach eigenem Bekunden doch schützen will.

Warum landet das IOC nicht endlich einen Wirkungstreffer?

Die Entscheidung, russische Athleten trotz erdrückender Beweise nicht generell von den Spielen in der brasilianischen Metropole auszuschließen und diese Frage stattdessen kurz vor knapp den überrumpelten Fachverbänden zu überlassen, bereue er nicht, sagt Bach. Und auch für Pyeongchang 2018 erwägt er offenbar keinen Ausschluss des russischen Teams. Dabei wäre dieser endlich der Wirkungstreffer, den der angeschlagene saubere Sport nun seinem Gegner, dem organisierten Doping, verpassen müsste. Nur so könnte das IOC wirksam abschrecken, ein echtes Umdenken in Russland erreichen und viel zerstörtes Vertrauen wieder herstellen. Doch Bach bleibt in Deckung. Ein bisschen monieren und beklagen, das war's.

Und doch scheint der Skandal zumindest in einem Punkt ein Umdenken zu fördern: Das IOC scheint nun ernsthaft über mehr Unabhängigkeit im Anti-Doping-Kampf nachzudenken. Bach stellt sich "ein internationales, zentrales Anti-Doping-System unter Führung der WADA in Unabhängigkeit von den Sportorganisationen und den Regierenden" vor. Die Idee ist beileibe nicht neu, Kritiker der Sportverbände fordern seit Jahrzehnten ein Ende der Interessenkonflikte im Anti-Doping-Kampf. Relativ neu ist, dass das IOC dies nun doch ganz gut findet, sich zu eigen macht und schon für die kommenden Olympischen Spiele in Pyeongchang anstrebt. So könnte Russlands Staatsdoping am Ende doch noch zu etwas Gutem führen.

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