Der Vertrag von Minsk ist tot. Es lebe Minsk!
Eigentlich sollte längst Waffenstillstand im Osten der Ukraine herrschen. Doch in den pro-russischen Separatisten-Gebieten wird weiter geschossen. Es fällt schwer, von einem "eingefrorenen" Konflikt zu sprechen, solange jede Woche Menschen sterben. Noch immer haben internationale Beobachter ebenso wie Hilfsorganisationen keinen ungehinderten und vollständigen Zugang zu der Region. Nach wie vor sind schwere Waffen unmittelbar kampfbereit. Und die Nachschubwege der Separatisten über die Grenze aus Russland sind offen wie Scheunentore.
Kein Nachgeben auf allen Seiten
Dabei gäbe es einen Fahrplan zum Frieden. In dreizehn Punkten ist er festgehalten. Vor einem Jahr haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande mit Petro Poroschenko und Wladimir Putin, den Präsidenten der Ukraine und Russlands, das im so genannten Normandie-Format ausgehandelt. Aber praktisch keine der Vereinbarungen, die damals in der weißrussischen Hauptstadt Minsk getroffen wurden, wurde umgesetzt.
Bis heute ist keine Seite bereit zum Nachgeben. Der Ukraine als Opfer der von Russland gesteuerten Aggression fällt das verständlicherweise schwer. Nach den Regelungen von Minsk müsste sie auch ihre Wirtschafts- und Finanzblockade aufgeben und der Region im Rahmen einer Dezentralisierung Sonderrechte gewähren. Eine politische Mehrheit ist in Kiew dafür jedoch nicht in Sicht.
Zugleich müssten freie Wahlen in den besetzten Gebieten stattfinden, die international durch Beobachter der OSZE zu überwachen wären. Dazu sind weder die Separatisten noch Moskau bereit. Auch die Rückgabe der Kontrolle der Grenze zu Russland an die Ukraine wird abgelehnt. Dabei sieht das Abkommen von Minsk genau das vor.
Pragmatismus statt Resignation
Ist der Vertrag also gescheitert? Die daran beteiligten Politiker setzen weiter auf den Prozess, als wollten sie sagen: Der Vertrag von Minsk ist tot. Es lebe der Vertrag von Minsk! Man kann darin Zynismus sehen. Doch das Festhalten an Minsk ist vielmehr Ausdruck von Pragmatismus. Er muss Politik und Diplomatie leiten - gerade bei der Suche nach Lösungen in schier aussichtslosen Konflikten.
Minsk ist nach wie vor der einzige politische gemeinsame Nenner, auf den sich die Konfliktparteien vor einem Jahr einigen konnten. Russland kritisiert immer wieder die westlichen Sanktionen. Doch den Beweis dafür, dass es sich für eine Umsetzung der Minsker Vereinbarungen einsetzt, sucht man bislang vergebens.
Kein Vertrauen in Russland
Auf der Münchener Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende könnte ein neuer diplomatischer Anlauf für ein Ende der Gewalt im Donbass unternommen werden. Es wäre höchste Zeit. Im Oktober vergangenen Jahres haben sich die Staats- und Regierungschefs des Normandie-Formats zum bisher letzten Mal getroffen. Seitdem wurde nur noch miteinander telefoniert. Auch die Außenminister kamen bei ihren nachfolgenden Gesprächen nicht weiter.
Es fehlt komplett an gegenseitigem Vertrauen. Deshalb tritt das Abkommen von Minsk auf der Stelle. Verantwortung für den Konflikt hat der Kreml bis heute nicht übernommen. Mit den Mitteln der Desinformation und ohne jede Rücksicht auf das Völkerrecht und andere diplomatische Vereinbarungen führt Russland seit zwei Jahren einen verdeckten und nie erklärten Krieg gegen die Ukraine. Das macht eine Lösung jetzt so schwierig. Denn niemand weiß, ob Moskau sich dem Abkommen von Minsk überhaupt verpflichtet sieht. Die Zweifel daran kann aber nur Russland selbst ausräumen.
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