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Die Grünen auf dem Irrweg in die Mitte

Bettina Marx23. November 2014

Die Grünen sind in die Jahre gekommen. Längst sind sie nicht mehr die rebellische Partei, die mit Konventionen bricht und neue Politikmodelle fordert. Im linken Spektrum aber werden sie gebraucht, meint Bettina Marx.

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Parteitag der Grünen in Hamburg, November 2014 DPA
Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Die Umwelt- und Bürgerrechtspartei Bündnis90/Die Grünen ist zu einem Sammelbecken geworden für Vertreter eines breiten Spektrums von politischen Anschauungen. Von moderat links bis wirtschaftsliberal – alles findet sich wieder in einer Partei, die in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft angekommen ist. In sieben und demnächst voraussichtlich in acht Bundesländern regieren die Grünen in verschiedenen Konstellationen. Im konservativen Baden-Württemberg stellen sie mit Winfried Kretschmann einen Ministerpräsidenten, der bis weit in die Reihen der CDU-Anhänger hinein Zustimmung genießt und im konservativen Musterländle außerordentlich populär ist.

Im Bund dagegen sind die Grünen in der Opposition, die Fraktionsführung im Bundestag kann nicht überzeugen. Ihre politischen Angriffe richtet sie oft gegen die ebenfalls oppositionelle Linke statt gegen die Regierung. Auch die Parteispitze um Cem Özdemir und Simone Peter hat keine Strahlkraft. Die beiden Vorsitzenden sind sich häufig nicht einig und wirken kaum über die Grenzen der Partei hinaus. Vielleicht liegt es daran, dass die Grünen inzwischen beliebig geworden sind. Schon lange sind sie keine linke Partei mehr. Stattdessen suchen sie ihr Glück in der Mitte, sie wollen die untergegangene FDP beerben, auf die Wirtschaft zugehen, pragmatische Politik machen. Damit räumen sie ausgerechnet da das Feld, wo es einen dringenden Bedarf gibt und wo von der SPD enttäuschte Wähler nach einer neuen politischen Vertretung diesseits der Linkspartei suchen.

Bettina Marx, DW- Hauptstadtstudio
Bettina Marx, DW-HauptstadtstudioBild: DW/S. Eichberg

Keine Neuorientierung in Hamburg

Es ist sicher auch dem vielschichtigen und auf Konsens ausgerichteten politischen System in der Bundesrepublik geschuldet, dass Parteien Kompromisse eingehen müssen, dass sie ihre Positionen modifizieren und sich weiter entwickeln müssen. Doch sie dürfen darüber nicht ihre Identität verlieren. Auf Dauer funktioniert das System nur, wenn es Streit und Opposition zulässt und auch den Wählern ein Angebot macht, die sich von den Regierungsparteien nicht vertreten fühlen. Für linke Wähler in Deutschland gibt es ein solches Angebot fast nicht mehr. Wer eine linke Sozialpolitik und eine egalitäre Bildungspolitik will, wer Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt und eine militarisierte Außenpolitik ablehnt, der hat in Deutschland keine Wahl mehr, nachdem die SPD diese Positionen geräumt hat und die Grünen zu einer Partei der bunten Beliebigkeit geworden sind. Wenn ein solcher Wähler seine Stimme nicht der Linkspartei geben kann oder will, ist er politisch heimatlos.

Darum wäre es klug und richtig gewesen, wenn die Grünen sich auf ihrem Parteitag klar im linken Spektrum eingeordnet hätten. Der Weg in die Mitte ist ein Irrweg, der in die politische Bedeutungslosigkeit führen könnte. 35 Jahre lang haben die Grünen das politische Leben in Deutschland mit geprägt. Sie haben zweifellos historische Verdienste, die nicht wegdiskutiert werden sollen. Aber nun stehen sie am Scheideweg. Beim Parteitag in Hamburg haben sie Geschlossenheit demonstriert und sich auf ihre Wurzeln zurückbesonnen, auf Klimapolitik, nachhaltige Landwirtschaft und Flüchtlingspolitik. Doch das allein genügt nicht. Dass Delegierte und vielleicht einfache Mitglieder zufrieden sind, reicht nicht aus. Die Grünen müssen auch Wähler ansprechen. Und um dies zu erreichen, müssen sie sich dort verorten, wo sie herkommen und wo das Vakuum immer schmerzhafter wird: im linken Lager.