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Die Steigerung des Unfassbaren

Henrik Böhme26. März 2015

Ein absichtlich herbeigeführter Absturz: Das ist die unfassbare Erkenntnis dieses Tages. Doch es geschah nicht zum ersten Mal. Und wirklich verhindern lässt sich Vergleichbares nicht, meint Henrik Böhme.

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Germanwings Airbus A320 Black-box
Bild: Reuters/BEA

Von der ersten Minute an, als die schreckliche Nachricht über den Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen bekannt wurde, hielt das Mutter-Unternehmen Lufthansa seine schützende Hand über ihre Tochter. Der Vorstandsvorsitzende von Deutschlands größter Airline, Carsten Spohr, der selbst noch eine gültige Piloten-Lizenz für den A320 besitzt, schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter von einem "schwarzen Tag für die Lufthansa". Spohr traf auch persönlich Angehörige und Freunde der Opfer, sowohl in Düsseldorf als auch in Barcelona und sagte ihnen jede erdenkliche Hilfe und Unterstützung zu.

Gleiche Sicherheitstandards im ganzen Konzern

Auch Bedenken, die hinsichtlich möglicher technischer Mängel geäußert wurde, wies der Lufthansa-Chef zurück. Germanwings sei eine hundertprozentige Tochter, da würden dieselben Maßstäbe gelten wie für Lufthansa-Maschinen. Gewartet würden die Flugzeuge von Lufthansa Technik, eine der größten Wartungsfirmen, die es gibt, und die für viele Airlines rund um den Globus die Flugzeuge inspiziert und in Schuss hält.

Und nun das: Ein Co-Pilot, der offensichtlich beschlossen hatte, seinem Leben ein Ende zu setzen und nicht davor zurückschreckt, 149 andere mit in den Tod zu reißen. Ein Co-Pilot, der das anspruchsvolle Auswahlverfahren und die nicht minder anspruchsvolle Ausbildung der Lufthansa erfolgreich durchlaufen hat. Ein Mann, dem wir vertrauen, wenn wir zu ihm ins Flugzeug steigen. Das führt automatisch zu der Frage: Sind die regelmäßigen medizinischen Checks der Airlines wirklich gründlich genug? Müsste nicht auch psychologische Tests regelmäßig - und nicht nur zu Beginn der Ausbildung - durchgeführt werden? So wie jeder andere Mensch haben auch Pilotinnen und Piloten ganz menschliche Probleme, die dem einen mehr, dem anderen weniger zu schaffen machen. Probleme, mit denen der eine gut umzugehen weiß und die einen anderen in die Depression treiben. Die Germanwings-Tragödie ist nicht der erste Fall dieser Art: Das Portal Aviation Safety Network listet seit 1976 acht vergleichbare Vorfälle auf.

Deutsche Welle Henrik Böhme Chefredaktion GLOBAL Wirtschaft
DW-Redakteur Henrik BöhmeBild: DW

Natürlich wird nun auch wieder die Frage gestellt, die auch schon gleich nach Absturz gestellt wurde: Ist diese Tragödie nicht schlecht für das Image der Airline, für Germanwings zum einen und für Lufthansa zum anderen? Auch am Donnerstag, wie schon am Tag des Absturzes, hat die Aktie der Lufthansa verloren. Das, so denke ich, kann man getrost ausblenden, denn die Börse handelt ohne Rücksicht auf menschliche Opfer oder gar persönliche Schicksale. Nein, ich bleibe dabei: Fliegen wird attraktiv bleiben, und die Lufthansa hat eigentlich ganz andere Probleme auf wirtschaftlicher Ebene zu lösen. Der Katastrophe von Flug 4U 9525 lässt all diese Sorgen vorerst verschwinden. Am Image der einst stolzen Airline kratzen ganz andere Dinge. Doch heute ist nicht der Tag, darüber zu reden.

Es gibt keine absolute Sicherheit

Nein, vor einem Selbstmörder ist man nirgendwo gefeit. Das kann auch der Lokführer sein, der Busfahrer, der Fahrer eines 40-Tonnen-Trucks. Wo will man da anfangen?

Noch dies: Auch ich gehörte zu denen, die am Tag nach der Germanwings-Tragödie wieder in ein Flugzeug steigen mussten. Andere Airline, andere Strecke, gleiches Airbus-Modell. Mein innerer Verdrängungs-Mechanismus funktionierte ziemlich gut, ich stieg ein, las wie immer Zeitung, trank einen Kaffee und stieg wieder aus. Die Maschine war bis auf den letzten Platz besetzt. Das wird morgen wieder so sein, auch wenn wir nun wissen: Die Gefahr kann auch vorne im Cockpit sitzen.