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Absurdes Theater

Barbara Wesel23. November 2014

Nach Fußballregeln waren die Akteure bei den Atomverhandlungen in Wien bereits in der Nachspielzeit. Bleibt man im Bild, dann müsste eine weitere Fristverlängerung jetzt abgelehnt werden, meint Barbara Wesel.

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Iran Atomanlage Bushehr (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Optimisten glaubten schon, diesmal könnte es klappen: Schließlich waren die Rahmenbedingungen für einen Erfolg in der unendlichen Geschichte der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm noch nie so günstig wie heute. Das Regime in Teheran steht unter enormem Druck, denn die Wirtschaft geht in die Knie. Jahre der immer härter werdenden Sanktionen haben das Land international isoliert, vom Finanzverkehr abgeschnitten, die Industrieproduktion stranguliert, Öl- und Gasexporte auf ein Minimum reduziert. Die Iraner selbst, die mit einer galoppierenden Inflation und immer schlechteren Lebensbedingungen kämpfen, wollen nur noch eines: Das Ende der Sanktionen und die Rückkehr zu einer Art Normalität. Und schließlich: Ein als gemäßigt geltender Präsident weckte bei allen Beteiligten die Hoffnung auf Tauwetter zwischen Iran und der Staatengemeinschaft und eine Lösung des seit über einem Jahrzehnt schwelenden Konfliktes. Präsident Hassan Rohani selbst wiederum muss es schaffen, die Wirtschaftslage zu verbessern, sonst ist sein politisches Überleben gefährdet.

Porträt Barbara Wesel (Foto: DW)
DW-Autorin Barbara WeselBild: Georg Matthes

Der Westen wünscht einen Erfolg dringender denn je

Auf der anderen Seite stehen die Interessen der westlichen Verhandlungspartner: US-Präsident Barack Obama braucht einen Erfolg in der Außenpolitik. Er durchbrach die seit der Botschaftsbesetzung in Teheran, also seit rund 25 Jahren andauernde Kontaktsperre zwischen beiden Hauptstädten. Denn er sucht auch einen starken regionalen Partner im Kampf gegen die Terrormilizen des IS, die Teile von Syrien und Irak unterjocht haben und drohen die gesamte Region zu destabilisieren. Die Europäer wiederum wünschen sich nichts dringlicher als den Beweis, dass ihre Außenpolitik als Mischung aus beharrlicher Diplomatie und konsequenten Sanktionen am Ende zum Erfolg führen kann.

Und jetzt sieht es so aus, als ob auch diese Runde der seit rund zwölf Jahren im 'Stop and Go'-Verfahren geführten Gespräche einmal mehr in der Vertagung endet. Im vergangenen November hatten beide Seiten einen Rahmenvertrag abgeschlossen, der eine Lösung innerhalb von sechs Monaten vorsah. Die Einigung gelang im Sommer nicht, und es wurde noch ein weiteres halbes Jahr angehängt. Und auch diese letzte Frist muss, so sieht es aus, nun erneut bis weit ins nächste Jahr hinein verlängert werden. Jeder, der nicht mit der grenzenlosen Geduld der Berufsdiplomaten gesegnet ist, muss die Verhandlungen längst als absurdes Theater betrachten.

Die Verhandlungen sind zum Selbstzweck geworden

Das ist schließlich der Nachteil einer Politik, die durch das sehr langsame Bohren sehr dicker Bretter schließlich zum Ergebnis kommen wollte: Nach zahllosen Treffen sind die Gespräche völlig festgefahren, jedes Argument ist tausendmal gehört, und beide Seiten haben sich in ihren Positionen tief eingegraben. Für die Regierung in Washington bedeutet Erfolg, dass Iran seine Kapazitäten zur Anreicherung von Uran radikal reduziert. Ziel ist, dass das Land ein Jahr brauchen würde bis zur potentiellen Herstellung einer Atombombe. Zeit, damit der Westen reagieren kann.

Irans Präsident spricht vor der UN-Vollversam,mlung (Foto: Reuters)
Präsident Rohani wirbt vor der UN Vollversammlung für die Anliegen IransBild: Reuters/Adrees Latif

Für das Regime in Teheran bedeutet ein Verhandlungserfolg genau das Gegenteil: Den Erhalt so vieler Zentrifugen wie möglich, mit denen waffentaugliches Uran hergestellt werden könnte. Denn die Revolutionswächter und andere Hardliner in Teheran haben es zum Punkt der nationalen Ehre erhoben, dass Iran in den Kreis der Atommächte vorstößt. Selbst wenn diese Absichten nach wie vor geleugnet werden. Aber im vergangenen Jahrzehnt hat Iran seine nuklearen Fähigkeiten Schritt für Schritt dramatisch aufgebaut. Der Westen hat Teheran inzwischen jedes nur denkbare Angebot gemacht, um eine zivile Nutzung der Atomenergie möglich zu machen. Die iranische Führung dagegen verlangt die Aufhebung der Sanktionen quasi als Vorleistung und will sich einer Kontrolle und nennenswerten Verringerung seines nuklearen Potentials nicht beugen.

Sollte man eine Gesprächspause einlegen?

Und an diesem Punkt stehen beide Seiten nun seit Jahren: Man dürfe sich nicht darüber hinwegtäuschen, "dass wir in vielen Fragen eben noch weit auseinander sind", erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die Situation. So war es und so ist es offenbar nach wie vor.

Manche Beobachter meinten vor dieser Gesprächsrunde, der Einsatz für beide Seiten sei inzwischen zu hoch, als dass sie platzen könnten. Aber die ewige Vertagung der Verhandlungen kann längst nicht mehr als positives Zeichen gewertet werden. So lange interne Machtkämpfe in Teheran einen echten Fortschritt quasi unmöglich machen, ist es vielleicht ehrlicher, sie einfach wieder auf Eis zu legen. Natürlich will der Westen Präsident Rohani nicht destabilisieren. Wenn er sich aber zu Hause nicht durchsetzen kann, ist es zwecklos, ihn international als Partner gewinnen zu wollen. Und es gibt keine Vertrauensbasis mit Teheran, die einen politischen Vorschuss auf künftiges Wohlverhalten glaubhaft machen könnte. Auf die Rückkehr Irans in die Staatengemeinschaft, ein Verhältnis mit weniger Hass und Ideologie und mehr vernünftiger Zusammenarbeit, müssen wir leider weiter warten.