Frauenrechte sind international
Polen ist in den internationalen Schlagzeilen. In andern Ländern scheint man nicht zu verstehen, wieso das Land aus einem Europarats-Abkommen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen austreten will, der Istanbul-Konvention. Zumal Polen den Vertrag nicht nur unterschrieben, sondern ihn - anders als Ungarn oder die Slowakei - vor fünf Jahren ratifiziert hatte. Zwei Jahre, bevor es Deutschland tat.
Und auch hier in Polen selbst wird nicht jeder schlau aus den Ankündigungen des Justizministers Zbigniew Ziobro, der am Wochenende verkündete, "Wahlversprechen umzusetzen". Eine akribische Suche nach dem springenden Punkt hat begonnen - Journalisten und Experten zerbrechen sich die Köpfe beim Versuch zu erklären, was dahintersteckt und vor allem, wem das Ganze dienen soll.
Denn schließlich geht es hier um Grundlegendes: Um den Schutz von Frauen und Mädchen, um die Einstufung aller Formen häuslicher Gewalt als Verbrechen und den Einsatz gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung. Eigentlich Dinge, die nicht als kontrovers gelten dürfen in unseren Zeiten. Doch der polnische Justizminister stört sich daran, dass das Dokument - wie er meint - aus "ideologischen Gründen" Familie, Ehe, Kultur, Tradition oder Religion als "Hauptursachen" solcher Gewalt benenne. Aber häusliche Gewalt findet nun einmal in Ehen und Familie statt und Genitalverstümmelung wird mit angeblich religiösen oder traditionellen Geboten gerechtfertigt - nicht nur die Opfer wissen das.
Der Begriff "Ideologie", schon zur Diffamierung der LGBT-Regenbogen-Bewegung gebraucht, wird auch hier wieder funktionalisiert. Die Istanbuler Übereinkunft führe zu einer "Desorganisation der Gesellschaft und richtet sich gegen Familie und Ehe" - zwei Heiligtümer in Polen. Der Minister meint wohl zwei von etlichen Punkten des Dokuments, nämlich die Bekämpfung von althergebrachten Rollenzuweisungen zwischen Mann und Frau.
Polens Regierung muss den Schutz aller Bürger garantieren
Es wäre übrigens das erste Mal seit Jahren, dass Polen aus einem internationalen Abkommen austritt, in dem es um Menschenrechte geht. Eine traurige Entwicklung, nicht nur, weil es um den Schutz meiner Mitbürgerinnen geht. Es geht auch um ein allgemeines Sicherheitsgefühl, um jenes nämlich, in einem Staat zu leben, in dem nicht alles auf den Kopf gestellt wird, nur weil einzelne Formulierungen nicht zur politischen Tageslaune passen.
Dieses Sicherheitsgefühl speist sich auch aus dem Vertrauen, dass internationale Verträge eingehalten werden, Verpflichtungen gegenüber anderen Ländern genauso wie gegenüber den eigenen Bürgern - und zwar gegenüber allen, nicht nur denen, die den Kurs der Regierung unterstützen. Zumal die Präsidentschaftswahl vor zwei Wochen den Kandidaten der regierenden PiS-Partei, Andrzej Duda, mit knapper Mehrheit bestätigt hat - und damit gezeigt hat, dass das Land in Regierungsanhänger und -kritiker gespalten ist.
"The show must go on" könnte man fast sagen, denn Parolen aus dem Wahlkampf werden durch das Justizressort praktisch weitergeführt. Polen, so verkündet der Justizminister lautstark, schütze seine Frauen wie kaum ein anderes Land. Das mag sein, aber im Interesse der polnischen Frauen läge es eben, wenn als Gewährsmann dafür nicht nur der jeweilige polnische Justizminister stünde, sondern übergeordnete und möglichst internationale Instanzen.