Schon erstaunlich: Erst vor einigen Tagen hieß es aus dem deutschen Umweltministerium, noch werde Deutschland auf internationalen Umweltkonferenzen durchaus als Vorbild angesehen. Bewundert wird das Land für seine Energiewende, für den Rückzug aus der Kernenergie. "Überraschend nachsichtig" würden die anderen Staaten die jüngsten Probleme der Deutschen zur Kenntnis nehmen, die ehrgeizigen Klimaziele zu erfüllen, hieß es. Aber ob das immer so bleibt?
Das Scheitern deutscher Umweltpolitik
Jetzt hat die EU-Kommission Deutschland (und fünf weitere EU-Staaten) verklagt - wegen der hohen Schadstoffwerte in vielen Städten. Das ist erst einmal sehr peinlich, weil Grenzwerte überschritten werden, denen die Regierung selbst zuvor zugestimmt hat. Und zweitens ist es eine schlechte Nachricht für die vielen tausend Fahrer von Diesel-Autos in Deutschland. Aber näher betrachtet ist es in erster Linie das Scheitern einer Politik, die gerne laut sehr ambitionierte Ziele formuliert, aber es verpasst hat, dafür auch den Rahmen im eigenen Land zu schaffen.
Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Klimagase reduziert, mehr als viele andere Industriestaaten. Aber dann verlor der Klimaschutz an Elan - auch, weil die Deutschen eben gerne teure und schnelle Autos fahren, vorzugsweise aus heimischer Produktion. Die Autohersteller hierzulande setzten lange auf den vergleichsweise klimafreundlichen Dieselantrieb. Und hörten weg, als Experten warnten, dass dadurch andere Umweltgefahren drohten, etwa die hohe Belastung mit Stickoxiden. Als das den Autoherstellern dann endlich klar wurde, entschieden sie sich, lieber zu schummeln und zu tricksen als umzurüsten.
Zwar hat die Politik mittlerweile reagiert und fördert etwa den Einsatz von Elektrobussen im Nahverkehr, aber die Wirkung solcher Schritte zeigt sich eben erst sehr langfristig. Jedenfalls nicht schnell genug aus Sicht der EU-Kommission. Vor allem aber: Vor der einzig wirklich durchgreifenden und schnell wirksamen Maßnahme schreckt auch die neue Regierung zurück: eine teure Nachrüstung, welche die Diesel-Fahrzeuge wirklich sauber macht. Die Kosten hierfür will man aber weder den Konzernen noch den Autofahrern zumuten. Die sind eben auch Wähler.
Der Druck von außen könnte hilfreich sein
Aber vielleicht hilft die Klage aus Brüssel ja der Großen Koalition, sich jetzt doch ernsthaft den beiden großen Herausforderungen der Umwelt-und Klimapolitik zu stellen: runter mit den Schadstoffwerten in den Städten, um Fahrverbote zu verhindern. Und raus aus der Kohleverstromung, um die Klimaziele einhalten zu können. Beim ersten Thema kommt jetzt der Druck aus der EU, beim zweiten könnte der Druck bald auf der internationalen Bühne entstehen. Rechtzeitig jedenfalls vor der nächsten UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz im Dezember soll eine eigens eingerichtete Kommission der Regierung den Weg raus aus der Kohle aufzeigen. Ein ehrgeiziger Plan - denn die Kommission wird gerade erst in diesen Tagen gebildet.
Überall im Land ist die Energiewende sichtbar, stehen Windräder am Horizont. Die Deutschen fahren viel Fahrrad und nutzen die Bahn, trennen ihren Müll mit großer Hingabe. Aber das hat ihnen dann auch lange genügt. Jetzt zeigt sich: Es reicht nicht mehr. Also: Hausaufgaben machen. Solange die nicht erledigt sind, dürfen sich auf Umweltkonferenzen mal andere feiern lassen: Die vom Klimawandel betroffenen armen Staaten auf der südlichen Welthalbkugel etwa, die trotz ihrer oft verzweifelten Lage nicht aufgeben im Kampf gegen die Treibhausgase.
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